Zu einem Fan von Alan Parker wurde ich 1984. Sein Film „Birdy“ traf damals etwas in mir, dass ich ihn bis heute nicht vergessen habe. Und so war meine Neugierde unendlich, als der Regisseur drei Jahre später mit „Angel Heart“ in die Kinos zurückkehrte. Und das Werk, welches er dort abgeliefert hat, lässt die Filmgeschichte bis heute erbeben. Also wenn sie überhaupt einen Sinn für diese Art Erschütterungen haben.
Die Wikipedia bezeichnet den Film als Mystery– und Psychothriller. Das passt schon irgendwie. Für mich ist es eine Albtraum-Voodo-Detektivgeschichte direkt aus der Hölle. Und es ist ein Film über die suggestive Macht der Musik.
Neo-Noir Detektivgeschichte
Ich versuche in meinen Beiträgen ja immer so weit um die Handlung des Gegenstandes herumzuformulieren, dass sich daraus kein Spoiler stricken lässt. Aber wenn ich hier verrate, dass es sich im Ansatz der Geschichte um einen klassischen Privatdetektiv in einer Mordermittlung handelt, der in der Ausführung seines Auftrags immer tiefer in seinen Fall verwickelt wird, bis dass er selbst der am meisten verdächtige ist, dann kratzt das gerade nur so eben an der Oberfläche dieses Trips. Ich stehe auf so was, grundsätzlich. Denn ich bin durch die Schwarze Serie und die Schnüffler-Schule von John Huston und Humphrey Bogart gegangen. Aber das, was Alan Parker daraus gemacht hat, geht weit über die Klassiker hinaus. Deshalb wurde der Film selbst zu einem solchen.
Mickey Rourke
Legendär war schon das Casting. Wenn sie sich bitte erinnern mögen: Mickey Rourke, den die jüngeren unter uns heute als Action-Karikatur (The Expendables) seiner selbst kennen, war damals auf halbem Weg in seiner Metamorphose als Darsteller und größtem lebenden männlichen Sexsymbol Hollywoods (9 1/2 Wochen, 1986), zum abgerissendsten Dichter den LA (und Andernach) im letzten Jahrtausend hervorgebracht hat, dem Universalgenie und größten Poeten der Gosse, Nachtclubs und Poststationen Charles Bukowski (Barfly, 1987). Erst wenn sie diese beiden Filme und „Angel Heart“ gesehen haben, können sie wirklich ermessen, welch großartiger Schauspieler dieser Mann einmal gewesen ist. Ich war ein echter Fan von ihm.
Lisa Bonet
Für Lisa Bonet, die sie heute noch, dann und wann mal, in höherwertigen TV-Rollen erleben können, wurde dieser Film zum Selbstermächtigungsprojekt und zur Emanzipation vom Image der Denise Huxtable aus der Bill Cosby Show. Die Voodoo-Sex-Priesterin in „Angel Heart“ war tatsächlich wohl die auf diesem Planeten am weitesten von Cosbys heiler Familie entfernt mögliche Rolle überhaupt. Unvergesslich, tatsächlich!
Robert De Niro
Und über Robert De Niro noch Worte zu verlieren… wäre an dieser Stelle redundant. Der Legende nach, war das Aufeinandertreffen von ihm und Mickey Rourke während der Dreharbeiten „like watching a boxing fight“. Wenig überraschend. Der eine war schon eine überlebensgroße Legende, eben als „Raging Bull“, und der andere ein tatsächlicher Amateur-Preisboxer mit einem hochempfindlichen Ego.
Kein anderer lebender Mensch hat je das wahrhaftige Verspeisen eines profanen Hühnereis so zelebrieren können, wie De Niro. Sie müssen es selber sehen:
Er schält mit seinen langen Fingernägeln ein Ei und erklärt so profan wie nebenbei, „In einigen Religionen ist das Ei das Symbol für die Seele…“, um sich das Ei dann mit ultimativer Kontrolle in den Mund zu schieben, ohne dabei seinen Blick von Angel zu nehmen – um so die Seele des Helden buchstäblich zu verspeisen.
Mein Ego wär‘ da wohl auch unbekannt verzogen. Und wenn sie das als Zuschauer:in nicht noch tiefer in den Wahnsinn dieses denkwürdigen Films hineinzieht, dann weiß ich’s auch nicht.
Content-Warnung
Tatsächlich ist „Angel Heart“ kein Film für alle. Machen wir uns nichts vor. Gewalt im Kontext mit Sexualität ist für viele Menschen schwer zu ertragen. Und die drastische Inszenierung in diesem Film macht die ursprüngliche Altersfreigabe „ab 18 Jahren“ nachvollziehbar. Allerdings ist diese, zu meinem Erstaunen, in Deutschland tatsächlich in einer Neuprüfung im Jahr 2000 auf 16 Jahre abgesenkt worden. Das tut der kommerziellen Auswertung dieses Klassikers sicherlich gut. Ohne Frage ermöglicht nur das für ARTE überhaupt eine Ausstrahlung im TV vor Mitternacht.
„Angel Heart“ – in der ARTE Mediathek bis 15.12.2023
Horror-Mystery-Thriller, USA, 1987
FSK: ab 16
Regie: Alan Parker
Drehbuch: Alan Parker, William Hjortsberg
Produktion: Winkast Films, Carolco Pictures, Film Union
Produzent/-in: Alan Marshall, Elliott Kastner, Andrew G. Vajna, Mario Kassar,
Kamera: Michael Seresin
Schnitt: Gerry Hambling
Musik: Trevor Jones
Mit: Mickey Rourke, Robert De Niro, Lisa Bonet, Charlotte Rampling, Stocker Fontelieu, Brownie McGhee, Michael Higgins, Elizabeth Whitcraft, Eliott Keener, ua.
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