Manfred Stelzer und Gert C. Möbius waren ein deutsches Traumpaar. Auch wenn sie nie einen der „großen“ Filmpreise gewonnen haben, so haben sie doch den deutschen Film und das deutsche Fernsehen so unendlich bereichert, dass eine Retrospektive ihrer Filme eigentlich lange mal fällig wäre. Hier geht es nur um einen davon…:
Vermutlich ist heute nur noch den Älteren unter uns gegenwärtig, welche besondere kulturelle Rolle Berlin in den Jahren vor 1989 gespielt hat. Kaum noch zu vermitteln, der exterritoriale Insel-Status, den die Stadt damals hatte. Kaum noch nachvollziehbar, warum sie gerade für junge, meistens linke und oft kreative Männer diese Anziehungskraft hatte. Dabei war der Grund ganz einfach: die Ausnahme von der Wehrpflicht.
Für Manfred Stelzer mag auch die DFFB ein weiterer guter Grund gewesen sein, in die ehemalige Hauptstadt zu ziehen. Hätte er „Film“ stattdessen etwa in München studieren wollen, dann hätte er Gerd C. Möbius – und dessen Bruder Rio Reiser vielleicht nie getroffen, wäre nie in die Hausbesetzungsszene abgetaucht, hätte auch Rolf Zacher vielleicht nie kennengelernt, deshalb „Die Schwarzfahrer“ nie gedreht. Ich hätte ihn allein deshalb nie gekannt und so auch seine Filme nie so geliebt – dass dieser Beitrag heute auch nie geschrieben worden wäre.
Ohne Stelzer wäre der „Münster-Tatort“ mit Thiel und Börne wahrscheinlich nie erfunden worden, ob es den „Polizeiruf 110“ heute noch geben würde, wäre zumindest unklar, und auch Armin Rohde und Ludger Pistor hätten vermutlich nie eine Schnitzelbude in Dortmund betrieben. Denn „das alles und noch viel mehr“ hat der Mann auch erfunden.
So kommt es, dass die Filme und Figuren Stelzers einfach immer da sind. Im Programm finden wir heute zum Beispiel (ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit):
- Ein Engel und Paul (2004)
- Schokolade für den Chef (2008)
- Tatort: Spargelzeit (2010)
- Tatort: Hinkebein (2012)
- Ein Schnitzel für alle (2013)
- Taunuskrimi: Schneewittchen muss sterben (2013)
- Wir tun es für Geld (2014)
- …
Freiheit For My Brother (1999)
Der Film, von Stelzer und Möbius, der allein eigentlich schon Anlass genug für diesen Beitrag war, gehört eigentlich ganz oben auf die Liste, denn er katapultiert uns glatte 25 Jahre zurück. – Sie erinnern sich vielleicht an das Ende des letzten Jahrhunderts? Die Zeit, in der wir alle jünger, die meisten von uns vielleicht auch schöner, und das Fernsehprogramm noch nicht in Konkurrenz zum Internet, Streaming und Mediatheken waren?
In meiner Erinnerung waren auch die „Komödien“ im Fernsehen damals noch lange nicht so glatt und durchformatiert, wie sie heute aus den öffentlich-rechtlichen Filmfabriken ausgeliefert werden. Fragwürdige Transformationen von Filmtiteln gab es wohl aber auch damals schon. „Tournee ins Paradies“ – Leute…? Ehrlich jetzt?
Jedenfalls ist es einer dieser, von mir gerne „klein und etwas schmutzig“ genannten Filme. Ein Roadmovie von der Art, wie sie heute nur noch selten, wenn überhaupt, mal den Weg in das Nachtprogramm eines der „dritten Programme“ und damit auch wieder zurück in die Mediatheken finden.
Und so unglaublich jung (und schön) haben sie Armin Rohde, Ingo Naujoks, Christian Berkel, und Inga Busch sowieso schon lange nicht gesehen.
Dass Armin Rohde singen kann, wussten wir ja schon aus „Das Leben ist eine Baustelle“ und „So viel Zeit“, hier darf er sein Profil als „Singer/Songwriter“ ganz im Stile eines reisenden Bluesmannes erweitern. Auch wenn damals im Studio wohl einiges zu tun war, um den Gesang leidlich zu modifizieren, habe ich ihm die Rolle sofort abgekauft. Ja, ich würde für das Bühnenprogramm jederzeit einen beträchtlichen Eintritt zahlen wollen, würde Rohde sich dazu hinreißen lassen, mit diesem Talent etwa auf Tour zu gehen – auch ohne Background-Stripperinnen.
Ingo Naujoks Oberlippenbart war allerdings damals schon ein Verbrechen am Publikum – und ich glaube, genau so war es auch gemeint. 😉
Achten sie mal darauf, wie Stelzer nach der Eröffnungsszene seine Figuren einführt: Auch wenn hier und da ein Schnitt verborgen ist, ist es im Grunde ein einziger Kameraschwenk durch gleich mehre Räume eines Hauses. Das ist Regie-Handwerk, das ich nur bewundern kann. Alte Schule, sozusagen.
Und dieses Niveau hält der Film auch über die Strecke. Hier finden wir einfach äußerst lebensechte Figuren, die, auch wenn es eine Komödie ist, keine Witzfiguren und dennoch oft zum Lachen sind. Und das beruht, glaube ich, auf genauer Beobachtung, Zuspitzung und Wiedererkennung. Und der Loyalität und Solidarität der Autoren zu ihren Figuren. Menschen, die wir einfach mögen müssen.
Dass „Freiheit“ auch eine Zeitreise ist, das versteht sich schon aufgrund des Alters dieses Filmes. Es ist aber auch die wunderbar liebevolle Ausstattung, die hier viel davon wiedergibt, an das ich mich noch aus den Siebzigern und Achtzigern erinnere. Und vielleicht war das schon 1999 auch ein Geheimnis des Films. Es war damals schon ein Rückblick auf eine vergangene Zeit. Eine, die nicht wiederkommt.
Der Opel Rekord C, zu Beginn des Filmes, war jedenfalls damals schon ein Oldtimer. Dieses Modell war das erste Auto, auf dem ich Fahren gelernt habe. Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, etwa Baujahr 1969. Jedenfalls heute nur noch ganz, ganz selten zu sehen. Genau wie dieser Film.
Verpassen Sie das nicht – auch weil er jetzt wieder für ein ganzes Jahr verfügbar ist!
Spielfilm, Deutschland, 1999, FSK: 0, Regie: Manfred Stelzer, Buch: Gerd C. Möbius, Kamera: Michael Wiesweg, Musik: Lutz Kerchowski, Schnitt: Bernd Schriever, Mit: Armin Rohde, Ingo Naujoks, Christian Berkel, und Inga Busch, Bernhard Brink, @ArRo
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