Ganz ehrlich, ich bin kein besonderer Freund des Horror-Genres. Mal jenseits der Klassiker oder der Filme des großen John Carpenter, den ich wirklich schätze, habe ich in meinem Leben nie gezielt danach gesucht. Das hier ist einer der Filme, bei dem ich meine Ignoranz beinahe hätte bedauern müssen. Und nur Dank ARTE gibt es ihn sogar öffentlich-rechtlich!
Wenn sie sich mit dem Genre allerdings anfreunden können und sie den Film noch nicht kennen, und wenn auch die Prämisse sexuell übertragbarer Dämonen sie nicht intellektuell zurückschrecken lässt, wenn sie einen „billigen“ (der Film soll nur 1,6 Mio. USD gekostet haben), dafür aber bis in die Details durchdachten und präzise komponierten Film schätzen, dann ist das hier sicher großes Kino für sie.
Content Warnung: Es liegt in der Natur eines Horrorfilmes, sein Publikum verstören zu wollen! Dieser Film enthält verstörende Bilder, sexuelle Szenen und Nacktheit, sowie ein nicht geringes Maß an Gewalt (gegen Dämonen). Auch wenn der Film in Deutschland bereits ab 12 Jahren freigegeben ist, sollten sie vorher sicher sein, dass sie so etwas sehen wollen.
Und nachdem wir die Warnung pflichtschuldigst hinter uns haben: Sie haben vermutlich schon weitaus schlimmeres gesehen. Wenn sie auf das ganz große Gemetzel stehen, werden sie hier enttäuscht. Und das ist auch gut so! Denn der Film lebt nicht vom Blut auf der Leinwand, nicht von Action und Geschwindigkeit, sondern von der langsamen Angst in den Köpfen. Tatsächlich ist er mehr eine psychologische Übung. Und vielleicht sogar ein gesellschaftspolitischer Kommentar?
Hier geht es um Teenager und Sex. Der sollte grundsätzlich nicht bedrohlich sein. Wenn er das aber ist, schließlich geht es hier um einen Horrorfilm, dann steckt dahinter eine Botschaft. Also entweder: „Bleibe besser keusch und enthaltsam, dann passiert dir nichts.“ Oder: „Pass gut auf dich auf und schütze dich“. Und wer, wie ich, parallel zum Ausbruch der AIDS Pandemie groß geworden ist, denen wurde mindestens letzteres so oft eingebimst, dass wir es bis heute nicht vergessen haben. Sex kann ansteckend und tödlich sein!
Das ist wohl eine der Ängste von Teenagern in ihrer höchsten Potenzierung.
Das Konzept sich beim Sex aber einen Dämon einzufangen und ihn nur beim Sex mit einer weiteren Person wieder loswerden zu können, das ist dann schon eine Volte. „Sexual Healing“ mal ganz anders gedacht. Promiskuität rettet in diesem Fall also Leben und die jeweils letzten in der Kette sind arm dran.
Nehmen wir die Folter, da gibt es Schmerzen und Wunden. Körperliche Qual. Das alles lenkt den Gefolterten aber vom seelischen Leiden ab, sodass ihm bis zum Augenblick des Todes nur die Wunden quälen. Den grausamsten Schmerz jedoch, verursachen aber nicht die Verwundungen, sondern dass man mit Sicherheit weiß, in einer Stunde, dann in nur zehn Minuten, dann in einer halben Minute. Jetzt, in diesem Augenblick, wird die Seele den Körper verlassen und man hört auf ein Mensch zu sein. Und dass das mit absoluter Gewissheit geschehen wird. Das fürchterlichste ist diese Gewissheit.
Fjodor M. Dostojewski (Der Idiot, 1915 / Filmzitat)
Dieser Independent-Coming-of-Age-Film lebt aber nicht nur von seiner smart ausgedachten Prämisse, sondern auch von seiner ebenso smarten Komposition. Hier hat ein Filmemacher das wenige Geld tatsächlich in Kunst verwandelt, denn jede Szene, jede Einstellung ist durchdacht und mit einem noch sehr jungen Cast behutsam ins Bild gesetzt. Atmosphärisch ist dem Film sein Budget nicht anzusehen – ganz im Gegenteil.
Tatsächlich erreicht er damit wirklich „Zeitlosigkeit“ – und das ist schon einmal eine sehr wichtige Voraussetzung dafür, als Film auch gut zu altern.
Horrorfilm, USA, 2014, FSK: ab 12, Regie & Drehbuch: David Robert Mitchell, Produktion: Rebecca Green, Laura D. Smith, David Robert Mitchell, David Kaplan, Erik Rommesmo, Musik: Disasterpeace, Kamera: Mike Gioulakis, Schnitt: Julio C. Perez IV, Mit: Maika Monroe, Keir Gilchrist, Olivia Luccard, Lili Sepe, Bailey Spry, Daniel Zovatto, Jake Weary
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