Juliette Binoche & Johnny Depp – Chocolat (2000)

4.3
(4)
Ob etwa der genussvolle Verzehr von hochwertiger Schokolade ein Mittel wäre, aus Nazis aufgeschlossene, tolerante und verständnisvolle Menschen zu machen, darüber können sie ja einmal eine Minute lang nachdenken. Vermutlich wird das nicht genügen. Dennoch ist der wundervolle Film von Lasse Hallström ein sinnliches Plädoyer für Toleranz und die Würde des Menschen.

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Ich war tatsächlich etwas erstaunt, festzustellen, dass dieser Film nun auch schon fast 25 Jahre alt ist. Für das Kino sind das wie viele Generationen seines Publikums? Gut möglich, dass die Menschen, welche dieses altmodische Märchen zur Jahrtausendwende im Kino sahen, heute mit ihren Kindern oder Enkelkindern vor dem Fernseher sitzen. Ich wünsche es ihnen zutiefst. Und allen anderen lege ich diesen Film an ihr Herz. Denn an Genuss ist nichts falsches.

Dieser Film eines Schweden, produziert in Hollywood und gedreht in Flavigny-sur-Ozerain, einem Dorf in Frankreich, in welchem tatsächlich die Zeit stehen geblieben ist, ist ein Film für die Welt. Weil die Geschichte eine universelle ist. Ausgerechnet das französische Publikum mochte ihn nicht – sie standen zur gleichen Zeit lieber in der Warteschlange für „Die fabelhafte Welt der Amélie“ vor den Kinos.

Wenn ich mich für einen der beiden Filme entscheiden müsste, dann wäre ich, auch heute noch bei „Chocolat“. Denn während „Amelie“, die Geschichte einer überaus charmanten Stalkerin, die sich ungefragt in das Leben ihrer Mitmenschen einmischt, im Wesentlichen zutiefst unpolitisch dahergekommen ist, steckt hinter den etwas kitschigen Bildern von „Chocolat“ ein kunstvolles Abbild unserer ganz und gar nicht märchenhaften Gegenwart.

Juliette Binoche als moderne „Hexe“, deren Magie der sinnlichen Verführung ihrer Opfer in der Zubereitung von hochwertigen Schokoladenprodukten liegt und, ja, ausgerechnet, Johnny Depp, der hier den anderen „Außenseiter“ gibt, machen es vielleicht etwas schwerer, hinter ihrem überaus charmanten und wahrhaftig zauberhaften Äußeren, nicht entwurzelte „Fremde“, ja Flüchtlinge zu sehen. Menschen, die nirgendwo willkommen sind und überall vertrieben werden, wo auch immer sie ein Zuhause sucht und er mit seinem Boot(!) am Ufer festmacht. Doch spätestens, wenn das Boot der „Flussratten“ in Brand gesetzt wird, kapiert auch der/die Letzte, worum es hier geht.

Der unausweichliche Sieg der Liebe und des Lebens über den Faschismus der Biedermänner und Brandstifter – hier repräsentiert durch Kirche und Adel, (alles Männer!) – wird hier nicht in Paraden zelebriert, sondern in einem Fest auf dem Dorfplatz. Die Rückeroberung des öffentlichen Raumes vollendet sich in einem Festival der Freude & Liebe.

Es ist „Kitsch“. Absolut. Ein romantisches Märchen. Vollkommen. Ein Gleichnis.

Und höchster Genuss.



Spielfilm, USA, 2000, FSK: ab 6, Regie: Lasse Hallström, Drehbuch: Robert Nelson Jacobs, Produktion: David Brown, Leslie Holleran, Kit Golden, Musik: Rachel Portman, Kamera: Roger Pratt, Amy Gilliam, Schnitt: Andrew Mondshein, Mit: Juliette Binoche, Victoire Thivisol, Alfred Molina, Carrie-Anne Moss, Aurelien Parent Koenig, Lena Olin, Peter Stormare, Johnny Depp, John Wood, Judi Dench, Hugh O’Conor, Leslie Caron, Hélène Cardona, Ron Cook


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  1. Mediathekperlen

    Nix für Ungut @enigma, es ist ja nur ein Märchen für Erwachsene, keinesfalls historisch verbürgt. Ich habe es ein „Gleichnis“ genannt. Und von der bornierten Bürgerlichkeit unter der Fuchtel von Adel und Kirche ist es tatsächlich nur ein sehr kleiner Schritt in den Faschismus. Jede:r mag den Film anders lesen. Das ist ja das Schöne daran. Für mich ist er eben sehr politisch.

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