Kein Dokumentarfilm, keine Science-Fiction, kein Spielfilm, keine Dystopie, kein Märchen. Was wir hier haben, ist ein Hybrid. Agitprop-Kino. Und die Mission dieses Films ist es nicht weniger als die Welt zu retten. Doch ist das nicht unweigerlich zum Scheitern verurteilt, wenn kein Mensch ihn sieht? Bitte sehen Sie sich das an und erzählen Sie anderen davon!
Eine Menge Menschen haben den Film gesehen. Auf Filmfestivals und in den Programmkinos. Dafür, dass er wirkt, wie er soll, gehört er aber in die Multiplexe. Auf die möglichst größten Leinwände des Landes. Denn er benutzt Bilder, die eigentlich eine so unglaublich starke Sprache sprechen – unmöglich sich dem zu entziehen. In den dritten Programmen der ARD oder bei ARTE allerdings erreicht er doch nur wieder ein viel zu kleines Publikum. Genau das ist vermutlich ein Teil des Problems, aber kein Teil der Lösung.
Ich war zu Anfang skeptisch, ob dieser „Spielfilm“ funktionieren würde. Und gegen Ende war ich verblüfft. Denn dieses Crossover aus Formaten funktioniert sogar erstaunlich gut. Was wirklich nicht zu erwarten war, von einem Film, der im Jahr 2054 spielt und in dem ein alter Mercedes W123 Kombi aus dem letzten Jahrhundert als Zeitmaschine eingesetzt wird.
Genau so einen habe ich gefahren, als Taxi, damals, in den Achtzigern, als wir vom Klimawandel noch nichts wussten. Oder wissen wollten, je nachdem. Keine Frage, für mich, der ich alt genug bin, mich zu erinnern, ist der Film eigentlich nicht gemacht. Ich, geboren 1965, bin, wie schon geschrieben, ein Teil des Problems. Doch es ist brandeilig, diese Erkenntnis endlich auch in Taten umzusetzen. Wir alle wissen es ja längst.
EVERYTHING WILL CHANGE erzählt vom abenteuerlichen Roadtrip dreier Freunde, (…) die im Jahr 2054 eine sterile, betonierte Welt bewohnen. Als sie erfahren, dass ihr Planet einst von reicher, bunter Schönheit geprägt war, machen sie sich auf eine Reise, um Antworten auf ihre immer größer werdenden Fragen zu suchen: „Was ist Giraffe? Und warum sind die Tiere verschwunden, die es mal gab?“ (…) Die Suche führt in die 2020er Jahre – der letzten, verpassten Chance des Planeten.
(Farbfilmverleih, Pressetext, 2021)
Früher, in den Siebzigern, Achtzigern, als es nur drei Fernsehprogramme gab, hätte dieser Film vermutlich noch Menschen erregt, verärgert, es ihnen unbequem gemacht, oder sie gar mobilisiert. Vielleicht hätte er sogar dazu beigetragen, eine neue (grüne) Partei zu gründen. Wäre das heute noch möglich …? In der Aufmerksamkeitsökonomie des 21. Jahrhunderts ist es jedenfalls ungleich schwerer. Für einen Film fast – aber nicht gänzlich – unwahrscheinlich zu leisten.
„Dieser Film ist eine dieser Offenbarungen, die dich dazu bringt aufzustehen und etwas zu tun.“
(Wim Wenders)
Menschen müssen den Film tatsächlich nicht sehen, um das Problem des Klimawandels und des massenhaften Artensterbens zu verstehen … aber denen, deren Zukunftshorizont über die eigene Lebenserwartung hinaus geht, gibt er vielleicht Kraft, Argumente und verstärkt vielleicht das Bedürfnis mehr zu tun, als sich etwa über zu wenig oder gar zu viel (öffentlich-rechtliche) Berichterstattung zur Klimakatastrophe aufzuregen und darüber dann das Internet vollzuschreiben.
Die Expert:innen, die im Film auftreten:
Prof. Stuart Pimm – Wissenschaftler für Erhaltung der Spezies
Joëlle Chesselet – Forscherin, Filmemacherin
Prof. Rodolfo Dirzo – Wissenschaftler für die Erhaltung von Spezies
Prof. Thomas E. Lovejoy – Biologe
Scott Loarie – Doktor der Philosophie, Co-Director von iNaturalist
Prof. Dr. Mojib Latif – Meteorologe und Ozeanograf
Dr. Cary Fowler – Agraringenieur
Wim Wenders – Regisseur, Autor, Fotograf
Louie Schwartzberg – Regisseur, Bildgestalter, Producer
Markus Imhoof – Autor, Regisseur, Imker
Prof. Daniel Pauly – Professor of Fisheries, University of British Columbia
Prof. Ursula K. Heise – Forscherin, Lehrerin
Ich bin beeindruckt, von diesem Experiment. Und Künstler:innen, Filmemacher:innen, die sich trauen – gerade angesichts der monströsen Katastrophe – kreative und ungewohnte Wege zu gehen, sollten dafür belohnt werden. Schauen Sie sich das an. Wenn sie Kinder (ab 12) haben, tun sie das gemeinsam. Sie werden sich vielleicht unwohl fühlen, und Fragen beantworten müssen.
Doch sie und ich wissen, dass wir keine Botschaft aus der Zukunft bekommen werden. Wir müssen uns schon selbst darum kümmern, wenn unsere Kinder und der Planet noch eine haben sollen.
Spiel/Dokumentarfilm, Deutschland, 2022, FSK: ab 12, Regie: Marten Persiel, Drehbuch: Marten Persiel, Aisha Prigann, Produktion: Katharina Bergfeld, Martin Heisler, Musik: Gary Marlowe, Kamera: Felix Leiberg, Schnitt: Maxine Goedicke, Bobby Good, Mit: Noah Saavedra, Jessamine-Bliss Bell, Vibeke Hastrup, Gert Jan Louwe, Paul G. Raymond, Jacqueline Chan, Stuart L. Pimm, Carlo Cusenza, Mojib Latif, Cary Fowler, Carlo Cusenza, Thomas Lovejoy, Choëlle Jesselett, Ursula Heise, Louie Schwartzberg, Markus Imhoof, Wim Wenders
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