Ein Griff in das Regal: Ein kleiner deutscher Thriller von Emily Atef. Schmutzig und geradlinig. Herausragend im Krimi-Einerlei. Als Wiederholung. Doch, vielleicht wollen sie genau das sehen?
Das gibt es immer wieder Mal. Kleine Filme, gerne auch mal Debuts junger Filmemacher:innen, die ewig und drei Tage verfügbar waren. Kurz bevor sie wieder ablaufen dann das Glück, sie noch rechtzeitig gefunden zu haben um sie (wieder) zu sehen. Hier ist es aber beileibe kein Debut, sondern das Werk von Emily Atef, einer etablierten Regisseurin, deren Annäherung an Romy Schneider in „3 Tage in Quiberon“ bei mir zu seiner Zeit einen großen Eindruck hinterlassen hat.
Von der grandiosen Film-Meditation über die internationale Filmgöttin, mit einem so einem kleinen, einfachen und schmutzigen Streifen wie „Jackpot“ für das Fernsehen zurückzukommen, war eine wirkliche Überraschung für mich. Dass wieder eine Frau die Protagonistin des Filmes war, überraschte bei Atef dagegen nicht. Und hier wäre dann der Zeitpunkt zu gestehen, dass ich mich in diese schon ein paar Jahre früher sterblich verliebt habe, als sie 2015 als Taxifahrerin mit Peter Dinklage noch durch die Hamburger Nächte gefahren ist.
Hier trägt Rosalie Thomass als Abschleppwagenfahrerin (fast) den ganzen Film alleine. Geradlinig, präzise, nahbar, unprätentiös und deshalb authentisch. Ich habe mir eben erst ihre Seite in der Wikipedia angesehen und bin überhaupt nicht überrascht, wie viele Preise (und Nominierungen) sie in den gut zwanzig Jahren ihrer Film und Fernsehkarriere schon sammeln konnte.
Maren ist keine Frau, die schwach und abhängig erscheint, gar gerettet werden müsste. Sie tritt als mutige Partnerin auf, die aus Liebe handelt. Zur Gangsterbraut wird sie nicht stilisiert. So zeichnet Emily Atef ein Bild, das realistischer ausfällt, als man zu Beginn denkt.
(Gina Arzdorf – FAZ 24.03.2021)
Aber es ist ja ein Ding, die Rolle der Sympathieträgerin perfekt zu besetzen. Weit schwerwiegender ist aber die des Bösewichts. Und auch dabei hat Emily Atef im richtigen Regal zugegriffen. Denn diesen gibt Thomas Loibl ebenso geradlinig und unprätentiös wie die Hauptdarstellerin. Er lässt keinen Zweifel an seiner Motivation – und die Aufgabe im Verlauf der Geschichte einige Menschen zu erschießen, erledigt er routiniert, ohne Aufheben davon zu machen. Wenn nur genügend Geld im Spiel ist, braucht es auch keine wahnsinnigen Psychopathen um eine gute Story zu erzählen. Hier geht’s um EUR 622.500. Das ist tatsächlich genug für einen Thriller!
Eine Tasche mit sehr viel Geld in einem abgeschleppten Auto. Eine Finderin, die einen guten Grund und genug Verwegenheit hat, es sich zu nehmen. Und ein krimineller Aussteiger, der sein Geld um jeden Preis wiederhaben möchte: Der Thriller „Jackpot“ verstrickt Rosalie Thomass, Thomas Loibl und Friedrich Mücke in einen spannungsgeladenen Kampf um die Erfüllung ihrer Lebensträume. Ein Film über Ambitionen und wie man an ihnen zerbrechen kann.
Ein richtiges „Happy End“ bleibt dem Film zwar versagt. Doch auch das dient der Geschichte. Obschon traurig, bleibt es doch versöhnlich – und selten bei einem Film der ARD.
„Jackpot“ sollen bei seiner Erstaustrahlung in der ARD 4,07 Millionen Zuschauer:innen gesehen haben. Wenn sie dabei gewesen sind, dann erinnern sie sich vielleicht. Und wenn nicht, dann gibt ihnen die Mediathek wieder die Chance dazu zu gehören. Wenn sie wollen, ist das vielleicht ein Jackpot für sie?
Dieser Beitrag erschien zuerst am 02.01.2024.
Thriller, Deutschland, 2021, FSK: ab 12, Regie: Emily Atef, Drehbuch: Frédéric Hambalek, Musik: Christoph M. Kaiser, Julian Maas, Kamera: Bernhard Keller, Schnitt: Bernd Euscher, Mit: Rosalie Thomass, Friedrich Mücke, Thomas Loibl, Hilmar Eichhorn, Annika Meier, Artemis Chalkidou, Lorna Ishema, Kerem Can, Maximilian Hildebrandt, Maria Magdalena Wardzinska, Barbara Colceriu, Justine del Corte, Franziska Ritter, Ramona Kunze-Libnow
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