Frau Foster ist ein wirklich mehr als spektakulär guter Grund, diesen Film auch nach 30 Jahren noch einmal zu sehen. Auch Liam Neeson und Natasha Richardson gemeinsam zu sehen, hat noch immer seinen Reiz. Doch heute weiß ich nicht, warum mir dieses Drama vorkommt, als sei es inzwischen aus der Zeit gefallen.
Gar keine Frage, Michael Apted hatte ein fantastisches Auge für die Inszenierung großer Natur-Bilder. In der Hinsicht ist „Nell“ eine ziemlich großartige Fortsetzung seines Welterfolges „Gorillas im Nebel„ (1988). Und wenn wir einmal die Rolle von Sigourney Weaver in dem Dschungel-Drama nach der Biografie von Dian Fossey mit jenen von Liam Neeson und Natasha Richardson vergleichen, dann fällt Jodie Foster hier quasi die Rolle einer Gorillafrau zu. Dem Gegenstand des Interesses und der Hauptprotagonistin des Films in persona.
Und wenn ich schon über Foster schreibe, die damals auf dem globalen Höhepunkt ihres kommerziellen Erfolgs war, dann referenziert „Nell“ in einer kurzen, doch nicht minder erinnerungswürdigen Szene in einem Billardsalon auch noch an die denkwürdige Schlüsselszene ihrer Figur in ihrem, mit einem Oscar für die beste weibliche Hauptrolle gekrönten Erfolgsfilm „Angeklagt“ (1988).
Gar keine Frage, „Nell“ ist noch immer ein sehr sehenswertes Drama. Gerade für die Szenen, in denen die großartige Foster und der Charakterdarsteller („Schindlers Liste“, 1993) Neeson erst zögerlich, dann zärtlich miteinander interagieren, lohnt es sich. Und auch Neeson und Richardson waren ein glaubwürdiges Duo – kein Zufall, waren beide doch schon seit längerer Zeit vor dem Film ein Paar und haben noch im selben Jahr geheiratet. Die kannten sich gut, das mussten sie also nicht spielen.
Für mich war der Film zu seiner Zeit auch deshalb etwas Besonderes, weil ich gerade akademisch (bei Karl-Dieter Bünting, Universität Essen) mit Linguistik, der Herkunft und Entwicklung von Sprache befasst war. Da hat sich das Drehbuch tatsächlich sehr große Mühe gegeben – und selbst die deutsche Synchronisation wird diesem Aspekt hinreichend gerecht. Was sicher nicht einfach gewesen sein kann.
Die Geschichte als ganzes allerdings, ist mir nach all den Jahren doch zu vorhersehbar – und das nicht etwa, weil ich den Film ja schon kenne, sondern weil ich inzwischen so viele dieser Machart sehen musste. Denn auch hier steckt einfach zu viel Feel-Good-Hollywood. Und das nicht, weil der Film ein alle glücklich machendes Happy End bekommen hat, sondern weil er auf dem Weg dahin eigentlich jede naheliegende Eskalation seiner Themen zwar angedeutet hat, doch ihnen letztlich immer ausgewichen ist.
Dabei hätte es soviel zu vertiefen gegeben. Das Recht eines Staates, gegen ihren Willen, in das Leben freier Menschen einzugreifen, steht für mich ganz oben auf der Liste. Auch die natürliche Freiheit eines Lebens in und mit der Natur, gegen das Selbstverständnis einer modernen und „aufgeklärten“ liberalen Gesellschaft.
Darüber hinaus ist die Beurteilung des Themas der psychischen „Gesundheit“ der „Nell“ eines, über das ich gerne mal eine längere Konversation mit Menschen führen würde, die in der Disziplin qualifizierter sind als ich. Für mich ist das, was wir im Film sehen, Küchentischpsychologie. Schlimm genug, dass tatsächlich und alltäglich genau so Beurteilungen über Menschen gefällt werden… Das könnten wir ja mal reflektieren.
Nichtsdestotrotz, der Film ist selten genug überhaupt im TV zu sehen und so viel besser als das Meiste, das wir sonst in den Mediatheken sehen. Deshalb gibts von mir auch eine uneingeschränkte Empfehlung zur Investition ihrer wertvollen Lebenszeit. Und für Fans von Jodie Foster und Liam Neeson, sowieso!
Dieser Beitrag erschien zuerst am 28.11.2024.
Drama, USA, 1994, FSK: ab 12, Regie: Michael Apted, Drehbuch: William Nicholson, Mark Handley, Produktion: Jodie Foster, Renée Missel, Musik: Mark Isham, Kamera: Dante Spinotti, Schnitt: Jim Clark, Mit: Jodie Foster, Liam Neeson, Natasha Richardson, Richard Libertini, Nick Searcy, Robin Mullins, O’Neal Compton, Joe Inscoe
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