Im Rückblick erscheint dieser Thriller des großen Amerikaners, wie eine kleine Fingerübung zwischen seinen gigantischen Meilensteinen der Kinogeschichte, „Der Pate“ (1972), „Der Pate – Teil II“ (1974) und der folgenden „Apocalypse Now“ (1979). Tatsächlich ist er ein Höhepunkt des „New Hollywood“ und einer der wohl besten Filme Coppolas überhaupt.
Siskel and Ebert Reviews by Jason Bagherian / YouTube
Als ich hier, vor einigen Wochen, Sydney Pollacks New-York-Thriller „Die drei Tage des Condor“ (1975) gefeiert und in einen Kontext zu „Der Staatsfeind No. 1“ (1998) gesetzt habe, sprang ein:e Leser:in mir zur Seite und vervollständigte den Vergleich mit der Referenz auf Coppolas Überwachungsthriller. Wenn ich ehrlich bin, hatte ich den Film schon gar nicht mehr „auf dem Schirm“ – was als zufälliger Beleg dafür gelten kann, wie wir heute allgemein auf das Gesamtwerk von Francis Ford Coppola schauen.
Denn auch ich bin ein Opfer des Marketing-Hypes und der ständigen Jagd nach Superlativen. Erinnert wird – auch von mir – immer das zuerst, was auch in unserem kollektiven Gedächtnis das größte Echo erzeugt hat. Dabei ist es eigentlich viel wichtiger, sich an die Filme dazwischen zu erinnern. Denn diese machen das Werk eine:r Künstler:in erst komplett und ermöglichen es uns erst, es als ein ganzes zu verstehen.
„The Conversation“ (1974) ist tatsächlich ein Meisterwerk seiner Zeit. Sowohl künstlerisch als auch, was den Zeitgeist und den besonderen historischen Moment betraf. Denn gedreht wurde der Film, noch bevor US-Präsident Richard Nixon wegen der Watergate-Affäre seinen Rücktritt erklärt hat, um einem Amtsenthebungsverfahren zuvorzukommen.
Dass ausgerechnet Tonbänder mitgeschnittener Gespräche im Oval Office von der automatischen Abhöranlage des Weißen Hauses dafür der entscheidende Faktor sein würden, konnte Coppola also nicht ahnen. Um so mehr muss aber die Geschichte seines Protagonisten, ausgerechnet einem Abhörspezialisten, für das Publikum als Kommentar der realen Vorgänge erschienen sein.
Dabei richtet sich der Film aber gar nicht auf die Geschichte der „Opfer“, sondern fokussiert nach innen. Er erzählt eigentlich fast gar nicht von denen, die abgehört werden, sondern von dem, der ihnen heimlich zuhört.
Coppola und Gene Hackman haben hier den Prototypen des Elektronik-Nerds als legitimen Nachfolger jener Privatschnüffler etabliert, die zuvor Jahrzehnte lang nur mit Kameras und vielleicht bestenfalls einem abgehörten Telefon in die Privatsphäre ihrer Opfer eindringen konnten. Der technologische Fortschritt hat sie eingeholt. Aus dem alten, abgeranzten Büro, in dem sie, nach getaner Arbeit, des Nachts die Füße auf den Schreibtisch legen, um den Tag mit Bourbon und Zigarette ausklingen zu lassen, wurde ein unaufgeräumtes Hochsicherheits-Elektroniklabor, mit komplizierter Technologie.
Doch nicht die Technologie steht im Zentrum von Coppolas Interesse, sondern was diese mit dem macht, der sie benutzt.
Coppola ist konsequent und unterbricht seine Psychologie des Charakters Caul nicht, um die Spannungskurve für den Zuschauer zu heben. Fans moderner Thriller, in denen pro Sekunde acht Autos explodieren, können dem Regisseur das vorwerfen, doch er verfolgt konsequent ein Konzept, das zu einem rasanten Finale führt und erneut die Gefahr der allgegenwärtigen Täuschung vor Augen führt.
Hackman gibt „Caul“, den Spezialisten, als weitgehend durchschnittlichen Typen. Kein strahlender Held, wie etwa Robert Redford in Pollacks „Condor“, sondern ein verbindlicher Typ, den Sie aber eigentlich bereits vergessen haben, wenn er gerade an Ihnen vorbeigelaufen ist. Unauffällig eben.
Coppola folgt dieser Figur mit seiner Kamera und erzählt die Geschichte, wie „Caul“ erlebt, dass die Technologie, die er scheinbar am besten beherrscht, sich gegen ihn richtet. Wir sehen nur, was er sieht. Wir hören nur, was er hört. Wir wissen niemals mehr, als er weiß. Damit macht der Regisseur uns zu seinen Kompliz:innen, um uns dann, gemeinsam mit „Caul“, seine und damit unsere Paranoia erleben zu lassen.
Tatsächlich wussten wir ja 1974 schon längst genug, um höchst beunruhigt zu sein. Dafür war Watergate nur ein weiterer, vielleicht zufälliger, vielleicht aber auch folgerichtiger Beweis. Orwells „1984“ war längst keine Fantasterei mehr, sondern längst technologische, und in einigen Ländern der Welt auch lange schon gesellschaftliche Realität.
Der Alptraum und der Wahn von „Harry Caul“, das war längst ein kollektiver „State-Of-Mind“. Und, Sie wissen viel besser als ich, von den gigantischen Schritten, welche die Technologie seither genommen hat.
Es besteht absolut kein Grund zu weniger Beunruhigung!
Thriller, USA, 1974, FSK: ab 16, Regie: Francis Ford Coppola, Drehbuch: Francis Ford Coppola, Produktion: Francis Ford Coppola, Musik: David Shire, Kamera: Bill Butler, Schnitt: Richard Chew, Mit: Gene Hackman, John Cazale, Allen Garfield, Cindy Williams, Frederic Forrest, Michael Higgins, Elizabeth MacRae, Teri Garr, Harrison Ford, Robert Duvall
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