Eine besondere Mediathekperle, und tatsächlich ein Prototyp für Filme, die im TV garantiert untergehen und ohne die Mediatheken kaum ein Publikum finden würden. Einschaltbefehle gibt es von mir nur selten. Hier läge ein solcher tatsächlich nahe.
Für Fabian Tiedke (taz) war 2017 die Konzeption von Ali Soozandehs, vom ZDF koproduzierten Regiedebüt „Teheran Tabu“, eine technische Verlegenheitslösung. Für mich macht gerade sie aber einen besonderen und subversiven Reiz aus. Der erzählerische Kunstgriff, einen eigentlich in Wien gedrehten Film, vor der authentischen Kulisse Teherans spielen zu lassen, hat mich absolut gefesselt.
Schauspieler:innen, Menschen und Geschichten sind zwar verfremdet, doch immer „echt“ während die Kulissen gemalt sind – sozusagen als Hintergrundprojektion aus dem realen Iran. Das erschließt mir in diesem ultra-modernen „Trickfilm“ gerade aufgrund dieser „Künstlichkeit“ eine abstrakte, sehr intime Nähe zu den Protagonist:innen. Und „Künstlichkeit“ ist Soozandehs Waffe gegen die Zensur, um diese Geschichten aus dem modernen Iran überhaupt erzählen zu können. Spannend ist es allemal!
Drei Frauen ringen in Teheran mit religiös bedingten Widerständen und Misogynie: Pari arbeitet als Prostituierte, um sich und ihren Sohn zu ernähren, und ist immer wieder mit der Doppelmoral iranischer Männer konfrontiert. Donya braucht Geld, um ihr Hymen rekonstruieren zu lassen – sie hat sich auf einen Menschenhändler eingelassen, der „Jungfrauen“ vermittelt. Und Sara zerbricht unter dem Druck, den ihr Mann ausübt, der ihren Wunsch nach einem Leben mit Beruf und ohne Kinder nicht akzeptiert.
Sex, Korruption, Drogen, Kunst und Prostitution sind keine exklusiven Phänomene einer repressiv-reaktionär-religiösen Gesellschaft. Freiheit, ihre Ausprägung bzw. ihre Unterdrückung dagegen steht im Zentrum der gesellschaftlichen Kämpfe, die für die Protagonist:innen in diesem Film elementar ihr Leben bestimmen.
Fünf Jahre vor „Frau – Leben – Freiheit“ nahm Soozandeh damit schon vieles vorweg. Er erzählt aus der sehr privaten, individuellen, persönlichen Realität. Noch politischer geht es gar nicht mehr. Das Private ist politisch und das Politische ist privat… Erst recht in einem restriktiven und bigotten „Gottesstaat“.
Während die Berlinale den Film 2017 noch abgelehnt hatte – Hanns-Georg Rodek spekulierte in der Welt seinerzeit über die Gründe – hat sie ihren Fehler später wiedergutgemacht, und dem Film 2023 eine Sonderaufführung gewidmet.
Unbedingt sehenswert!
Spielfilm, Deutschland, Österreich 2017, FSK: ab 16, Regie: Ali Soozandeh, Buch: Ali Soozandeh, Griet Kienzlen, Mit: Elmirah Rafizandeh, Zahra Ebrahimi, Arash Marandi
Schreiben Sie einen Kommentar
Sie müssen angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.