Jaco Van Dormael – „Das brandneue Testament“ (2015)

5
(2)
Eigentlich gilt für diesen Blog: „Keine Scherze über Religion“. Außer, es ist die eigene. Und dieses Gebot gilt natürlich auch für Jaco Van Dormael, den großen belgischen Filmphilosophen, der Gott zu Hause in Brüssel besucht hat. Dafür muss ich diese grandiose Religionssatire aus tiefem Herzen lieben. Mit Benoît Poelvoorde, Yolande Moreau, der großen Catherine Deneuve und einem Gorilla.

Hier wurde ein Video von Youtube, einer Plattform von Alphabet (Google) eingebunden. Der Inhalt wird nur geladen, wenn Sie zuvor einer Übertragung Ihrer persönlichen Daten (ua. ihrer IP-Adresse) an die Plattform zustimmen.

Klicken Sie auf dieses Cover, um den Inhalt anzuzeigen.

Erfahren Sie mehr in der Datenschutzerklärung von YouTube.

Filmtrailer 2015 / NFP Kino / YouTube

Dass Gott Niederländisch spricht und schon Adam & Eva in Brabant gelebt haben, weiß in Belgien jedes Kind. Deshalb lebt auch das höchste Wesen in Brüssel und führt mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter Éa ein mieses Leben in einer Dreizimmerwohnung. JC, sein Sohn, ist schon seit 2000 Jahren tot. Auf den ist er immer noch sauer. „Der musste ja alles auf den Kopf stellen. Das Einzige, was er geschafft hat, war sich an ein Gestell nageln zu lassen.“

Wer sich je Fragen zu den wirklich wichtigen Dingen im Leben gestellt hat, wird die Antworten in diesem Film erhalten. Wieso dauert es im Supermarkt immer am längsten in der eigenen Schlange? Warum klingelt das Telefon ausgerechnet dann, wenn man sich gerade in die Badewanne gesetzt hat? Ganz einfach: Weil Gott es so wollte. Dieser lebt nämlich mit seiner Familie in einer Mietwohnung in Brüssel und empfindet große Freude daran, der Menschheit das Leben schwerzumachen. Mies gelaunt sitzt er im Bademantel vor seinem Computer und denkt sich Gebote aus, die möglichst viel Leiden verursachen sollen.

ARTE Programmtext

Ob ein Film „Gott“ als cholerischen, gewalttätigen, mittelalten weißen Mann zeigen darf, in seinem äußerst gewöhnlichen Habitat, der seine Tochter schlägt und um den Küchentisch jagt, dazu noch im Bademantel? Fragen Sie mich was anderes. Ich muss das zum Glück nicht (mehr) entscheiden. Aber grandiosen Spaß an ihrer Rache haben, das kann ich.

Denn schon „Das Leben des Brian“ (1979), unserer Propheten aus England, hat mich ein oder zwei Dinge gelehrt (YouTube). Vor allem, dass wir alle Individuen sind. Und wenn das stimmt, dann hat auch Poelvoordes Gott ein Recht auf Individualität. Grund dazu anzunehmen, dass dieser, soweit es denn seine Schöpfung und besonders die Menschheit betrifft, dreifaltig schlechte Laune hat, haben wir täglich ja mehr als genug. Dafür müssen wir nur die Weltnachrichten einschalten oder während der Rushhour öffentliche Verkehrsmittel benutzen.

„Wenn der Papst den Film sieht, wird er sich amüsieren.“

Jaco van Dormael, epd-film, 08.12.2015, Interview von Frank Arnold

Deshalb wäre es für unser aller Seelenheil und die assoziierte mentale Gesundheit auch so hilfreich, wenn wir ab und zu mal über diesen Gott lachen würden, den alten Misanthropen. Und nichts gäbe dazu einen besseren Anlass, als diese wahrhaft göttliche Komödie aus der vollkommen diesseitigen Welt!

Die Themen Bestimmung, Zufall und schicksalhafte Begegnungen ziehen sich wie ein roter Faden durch Jaco van Dormaels Filme. In „Das brandneue Testament“ erlaubt sich der Belgier das Konzept Gott zu hinterfragen und ganz nebenbei die Rolle der Frau neu zu definieren. Das macht er – wie gewohnt – mit geradezu überbordender Fantasie. Dabei scheut van Dormael weder Sentimentalitäten noch Kitsch. (…)

Susanne Luerweg, DLF Kinokritik, 02.12.2015

Es ist ein Film, der, wenn Sie denn erstmal aus dem Lachen heraus sind, es schafft auch zutiefst zu Herzen zu gehen, in seiner bedingungslosen Liebe zu seinen Figuren. Denn bei aller haarsträubenden Komik, ist Dormael auch immer zutiefst zärtlich, solidarisch und mitfühlend mit den Menschen, denen der Glaube – an welche Götter und Göttinnen auch immer – eine elementare Hilfe ist, ihren Alltag zu bewältigen. So gehen seine Scherze auch niemals auf Kosten ihrer Integrität.

Am Ende ist der Film ein kleines queeres Fest. Und dass es Frauen sind, nämlich ausgerechnet Gottes Tochter, die der Menschheit die Augen öffnet, und ihre Mutter, die Göttin, die uns am Ende quasi nebenbei beim Saubermachen erlöst, hat eine wundervolle Poesie, an die ich gerne glauben würde. Da ist dann ja auch wieder eine Dreifaltigkeit und ich fühl’ mich fast wieder katholisch.

Sowieso, ist das hier mal kein Spoiler. Denn, wenn Sie, so wie ich, neben der Bibel auch mit Computern vertraut sind, und mal in einem Helpdesk gearbeitet haben, dann wissen Sie schon lange:

Die Ursache eines Problems sitzt meistens VOR dem Rechner. *

* Welcher Religion Sie angehören (welches Betriebssystem Sie benutzen), spielt dabei überhaupt keine Rolle.

Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht am 19.01.2025.



Komödie, Belgien, 2015, FSK: ab 12, Regie: Jaco Van Dormael, Drehbuch: Jaco Van Dormael, Thomas Gunzig, Produktion: Jaco Van Dormael, Daniel Marquet, Olivier Rausin, Musik: An Pierlé, Kamera: Christophe Beaucarne, Schnitt: Hervé de Luze, Mit: Benoît Poelvoorde, Pili Groyne, Yolande Moreau, Catherine Deneuve, François Damiens, Laura Verlinden, Serge Larivière, Didier de Neck, Marco Lorenzini, Romain Gelin, Anna Tenta, Johan Heldenbergh, David Murgia


Ihre Bewertung:

Wie bewerten Sie diesen Film / diese Serie?

Dieser Film / diese Serie wurde 2x im Durchschnitt mit 5 bewertet.

Bisher keine Bewertungen.


  1. @mediathekperlen Ein moderner Klassiker. „Gott in Brüssel” ist in unserer Familie ein geflügeltes Wort.

    Sie können diesen Beitrag über das Fediverse kommentieren.


    1. Mediathekperlen

      Echt? Mir waren diese offensichtlich geflügelten Worte gänzlich unbekannt. Musste mir das erst anlesen. 😉

      Sie können diesen Beitrag über das Fediverse kommentieren.

Schreiben Sie einen Kommentar

Sie können diesen Beitrag auch über das Fediverse (zum Beispiel mit einem Konto auf einem Mastodon-Server) kommentieren.