Eigentlich müsste dieser Film ja schwarzweiß sein. Das hätte die Tradition und die Zeit, in der er spielt, wohl hergegeben. Allerdings wäre in Hollywoods Schwarzer-Serie ein schwarzer Hauptdarsteller noch schlicht unvorstellbar gewesen. Vielleicht hat es wirklich erst einen Weltstar gebraucht, um 50 Jahre danach diese schwarz/weiße Geschichte zu erzählen.
Ich bin ein riesiger Fan der alten Gangster-Filme. James Cagney, Edward G. Robinson, Humphrey Bogart… das waren für mich, schon als Kind, absolute Superstars. Bei uns zu Hause gab es zuerst ja auch nur ein schwarzweiß Fernsehgerät, wie hätte ich da also etwas vermissen sollen? Western, Piraten, Gangster und Privatdetektive. Das waren für mich die größten – aber nur, wenn am anderen Tage keine Schule war!
Wichtig war bei uns zu Hause nur, dass kein Sex darin vorkam. Und darin war auf das Hollywood dieser Ära noch absoluter Verlass. Ebenso wie auf die zuverlässige Trennung von „Gut“ und „Böse“. Dazwischen gab es keine Grauzonen. Und der Gute bekam am Ende das Mädchen.
So einfach und klar strukturiert war das Kino in den 90ern schon lange nicht mehr. New-Hollywood hat schon 30 Jahre zuvor die Realität ins Kino eingeführt. Und die Moral? Sex sells! Spätestens seit der Monroe hat das wirklich auch der/die Letzte gemerkt und kommerziell weidlich ausgenutzt. Doch was den einvernehmlichen Sex im Kino anging, war der doch immer noch hetero und fand nur unter Menschen „gleicher“ Hautfarbe statt. Und selbst wenn einmal nicht, dann war höchstens die Frau „nicht-weiß“. Niemals der Mann.
Sie haben schon gemerkt, dass ich hier mit Behauptungen und Klischees arbeite, die kaum einer Überprüfung statt halten würden? Warum ich das mache, ist eigentlich nur darin begründet, hier leichter darüber schreiben zu können, wie sehr dieser Film des schwarzen Regisseurs Carl Franklin, mit einem schwarzen Hauptdarsteller zur Zeit seines Erscheinens den Mainstream herausgefordert hat.
„My Name is not fella‘, my name is Ezekiel Rawlins.“
Filmzitat
Im Hintergrund seiner oberflächlich eigentlich ziemlich konventionellen Geschichte, hinter all dem Zigarettenrauch, Sepia-Filtern und Neonlicht, erzählt „Devil in a Blue Dress“ von rassistischer Diskriminierung, Polizeibrutalität, ökonomischer Ungleichheit und der Fadheit des sogenannten amerikanischen Traums. Und das alles mit einem fantastischen Soundtrack (Elmer Bernstein), der noch immer jedem Jazzclub zu Ruhm und Ehre gereichen würde.
Mit jedem, zunächst äußerst bedächtigen erzählerischen Schritt, mit dem die Charaktere eingeführt werden und die Geschichte sich entwickelt, wirkt sein wirklich starkes Ensemble noch stärker, intensiver und direkter. Vor allem ein urkomischer, leichtfüßiger Don Cheadle und ein, noch in der Hitze der Nacht, absolut glühender Denzel Washington.
Und doch bekommt der afroamerikanische Mann die weiße Frau nicht. Und zwar aus dem einzigen Grund, dass er sie gar nicht will. Die Szene, in welcher beide sich in jedem anderen Film seit 1970 geküsst hätten müssen, ist so stark und so deutlich, dass jede:r im Publikum das hat bemerken müssen. Doch am Ende geht der Held einfach nach Hause, um seinen Rasen im Vorgarten zu wässern.
Auf ARTE.tv hat mir das erst jüngst die vorzügliche Dokumentation „Denzel Washington – Spiegelbilder Amerikas“ (2022), von Sonia Dauger (verfügbar bis zum 06.03.2025) erklärt. Ich fand es, im Nachhinein, überaus schlüssig, dass Washington damit den Rassismus, den Hollywood Zeit seines Bestehens sowohl in der Moral- als auch der Rassenfrage bewiesen hat, unterlief. Eben weil unsere veränderten Sehgewohnheiten es uns kaum mehr wahrnehmen hätten lassen, wäre es etwa andersherum gewesen. Und er wollte eben nicht jener sein, der ihnen hilft so zu tun, als wäre nichts gewesen.
Jetzt sagen Sie mir nicht, ich würde die Frage des Rassismus etwa größer machen, als sie für diesen modernen Thriller tatsächlich gewesen ist. Denn er dreht sich um nichts anderes. Verpackt in eine sehr traditionelle und auch spannende Detektivgeschichte bekommen wir einen Film, der nicht nur die Frage nach Identität (tatsächlich ist die ethnische Herkunft der Daphne Monet, gespielt von Jennifer Beals elementarer Treiber der Geschichte), sondern auch die ökonomische Segregation nach dem II. Weltkrieg (im liberalen Los Angeles), und insbesondere die kulturelle Trennung von Weiß und Schwarz ebendort, ziemlich gnadenlos entschlüsselt.
In den fast 100 Jahren in der Geschichte der Oscars, war Denzel Washington (2001) erst der zweite schwarze Mann nach Sidney Poitier (Bester Hauptdarsteller 1964), der einen Preis für eine Hauptrolle gewann. Seitdem sind nur drei weitere schwarze Männer (in Hauptrollen) hinzugekommen – und bei den Frauen sieht es noch mal ganz anders aus (nur eine Gewinnerin mit Halle Berry, 2002), während die Jury bei den Nebenrollen, zugegeben, etwas freigiebiger erscheint.
Und im Übrigen ist „Teufel in Blau“ ein toller Film!
Ich dachte nur, ich erwähne es noch mal.
Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht am 24.01.2025.
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Neo-Noir-Thriller, USA, 1995, FSK: ab 16, Regie: Carl Franklin, Drehbuch: Carl Franklin (nach einem Roman von Walter Mosley), Produktion: Jesse Beaton, Jonathan Demme, Gary Goetzman, Edward Saxon, Musik: Elmer Bernstein, Kamera: Tak Fujimoto, Schnitt: Carole Kravetz, Mit: Denzel Washington, Tom Sizemore, Jennifer Beals, Don Cheadle, Maury Chaykin, Terry Kinney, Mel Winkler, Albert Hall, Lisa Nicole Carson, Jernard Burks, Renée Humphrey, Poppy Montgomery, Barry Shabaka Henley, Fediverse: @ZDF
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