Einer wie George Smiley war 2011 eigentlich schon lange aus der Zeit gefallen. Und so hat die behutsame Modernisierung dieses Spionageklassikers diesem Veteranen des kalten Krieges gutgetan. Wo Alec Guinness seinerzeit (1979) noch mehr als fünf Stunden Zeit hatte, bekam Gary Oldman allerdings nur knapp zwei. Deshalb wurde aus einer epischen Romanverfilmung aber kein Actionfilm. Es sind noch immer die Charaktere, welche die komplexe Handlung und Geschichte treiben. Und die großartigen Darsteller.
Es braucht hohe Konzentration all den Figuren zu folgen, denn es gibt eine Menge davon. Und John Le Carré hat jede einzelne mit eigener Relevanz für den Lauf der Geschichte bedacht. Da kommt besonders dem Verhältnis dieser Individuen zueinander eine hohe Bedeutung zu. Am Ende ist die Welt der Spione eine, in der man(n) sich ziemlich genau kennt. – Oder wenigstens meint, sich zu kennen. Bis dieser Irrtum auffliegt und einer stirbt.
Smiley (Gary Oldman) ist ganz unzweifelhaft das Alter-Ego seines Autors. Und so wie dieser Agent seiner Majestät auf seinen Dienst zurückschaut, so hat sich auch Le Carré von ihm entfremdet. Das ist eine Distanz, die kommt mit dem Alter, der Erfahrung. „Man muss wissen, wenn es Zeit ist, die Party zu verlassen.“ – so formuliert sein Boss, Deckname „Control“ (John Hurt), es nach dem vermutlich letzten Fehlschlag seiner langen Karriere – und unterschreibt seinen Rücktritt.
Ein altmodischer kleiner Film, mit einer alten Geschichte aus dem kalten Krieg. Wie nur, soll so ein Film, sich im 21. Jahrhundert noch gegen einen, über all die Jahrzehnte immer wieder modernisierten, James Bond durchsetzen? Oder, wenn 007 schon kein Maßstab für modernes Kino mehr ist, etwa gegen Marvel, Star-Wars oder einen der jüngsten Retro-Reißer der Action-Rentner Stallone und Schwarzenegger? Das Geheimnis sind seine absolut überragenden Darsteller.
Stilistisch und atmosphärisch ist es ganz groß, was der schwedische Regisseur Tomas Alfredson und seine überaus verdienstvollen und überwiegend älteren Gentlemen des britischen Kinos hier, in einem mit französischem Geld finanzierten Film abliefern. Gary Oldman, John Hurt, Colin Firth, Simon McBurney, Mark Strong, Ciarán Hinds, Benedict Cumberbatch, Toby Jones, das ist ein Cast, der jedem Theater auf der Insel ein ausverkauftes Haus garantieren würde – das aufgeführte Stück wäre mir da tatsächlich egal.
Wenn Sie die alte BBC-Serie mit Alec Guinness kennen, dann stehen die Chancen nicht schlecht, dass diese auch für Sie der Beginn einer großen Wertschätzung für die Bücher Carrés als Filmvorlagen gewesen ist. Für mich, damals gerade 15 Jahre alt, war es so. Seither habe ich versucht so viel wie möglich von ihm zu lesen. Vor allem habe ich aber keinen Film mehr verpasst, der nach einem seiner Bücher entstanden ist. Und dieser ist mir davon einer der liebsten.
Der Grund dafür liegt auch darin, dass „Tinker Tailor Soldier Spy“ tatsächlich seiner Zeit treu geblieben ist. Nicht nur die Kulisse und das Szenenbild könnten aus den späten 60er Jahren stammen – das wahre London liegt hinter behutsam verwendeten Filtern und geschickt gewählten Bildausschnitten verborgen – auch die bedächtige Erzählweise der Geschichte ist eigentlich alles andere als modern. Einzig die Zeitsprünge, vor und zurück, der Handlung sind sehr zeitgemäß – und eine Herausforderung, die beim Zuschauen echte Konzentration erfordert.
Wollen wir den Film und seine Geschichte auch historisch einordnen, dann erzählt er aus einer Zeit, in welcher der kalte Krieg sozusagen auf seinen Höhepunkt zugelaufen ist. 2011 wiederum waren all die Agenten ihrer Majestät längst im Ruhestand und die Geheimdienste nahezu überkommene Relikte einer vergangenen Zeit. Russland war als Antagonist des Westens eigentlich verschwunden – bis dass dessen imperialer Präsident, früher selbst im einschlägigen Geheimgewerbe erfahren, kaum drei Jahre nachdem dieser Film in den Kinos war, doch entschieden hat, die Ukraine zu überfallen und die Krim zu besetzen. In jüngerer Vergangenheit hat wohl kaum eine Entwicklung der Geschichte die „Dienste“, die Politik und die Welt weniger vorbereitet getroffen und gleichzeitig vor ganz neue alte Tatsachen gestellt.
Vielleicht haben wir Smiley doch zu früh in die Rente geschickt?
Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht am 26.04.2025.
Spionage-Thriller, Großbritannien, 2011, FSK: ab 12, Regie: Tomas Alfredson, Drehbuch: Bridget O’Connor, Peter Straughan, John le Carré (Roman), Produktion: Robyn Slovo, Eric Fellner, Tim Bevan, Musik: Alberto Iglesias, Kamera: Hoyte van Hoytema, Schnitt: Dino Jonsäter, Mit: Gary Oldman, Colin Firth, Tom Hardy, Mark Strong, Ciarán Hinds, Benedict Cumberbatch, David Dencik, Stephen Graham, Simon McBurney, Toby Jones, John Hurt, Swetlana Chodtschenkowa, Kathy Burke, Roger Lloyd-Pack, Christian McKay, Konstantin Chabenski, Tomasz Kowalski, Fediverse: @filmeundserien
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