Ich habe seit meiner Kindheit ein gewisses Faible für fernöstliche Lebensweisheiten in der Synchronfassung. Alles was ich über Karate Kung-Fu weiß, habe bei David Carradine gelernt. Damals im ZDF. Immer am späten Sonntagnachmittag. Barfuß, schweigsam, mit dem Blick eines Mannes, der wusste, dass wahre Weisheit leise ist. Dann wurde das Fernsehen lauter.
Karate Kid. Wozu? Das war doch Kinderfernsehen – dachte ich. ProSieben? Sat.1? Vielleicht „mein RTL“ – ich weiß es nicht mehr. Die Filme liefen einfach. Und ich ließ sie laufen. Wie ich halt früher alles laufen ließ, wenn mir gerade nichts Besseres einfiel. Fernsehen war kein Event, sondern Tapete mit Handlung. An Mediatheken war damals noch nicht zu denken. Ich war jung. Und hatte kein Geld. Gestern Nacht war es anders und ich fühlte mich alt. Wirklich alt.
Teil 1 (1984): Mr. Miyagi, Hausmeister der Herzen
Der erste „Karate Kid“ war seinerzeit – zu meiner Überraschung – ganz okay. Ich meine: Ja, der Junge war ein wenig quengelig, der Bösewicht trug das Haar wie ein junger Faschist, und das ganze Drumherum war eigentlich nichts weiter als Highschool-Gekabbel mit Fönfrisuren.
Aber Hausmeister Miyagi!
Der Mann hatte Würde. Stoizismus. Und eine leicht versoffene Weisheit, die mich – und ich hasse es zuzugeben – ein klein wenig berührte. Vielleicht lag’s am Bonsai. Oder daran, dass er nie schrie. In einer Welt, die schon damals zu viel redete, war der Typ eine Wohltat.
Daniel hingegen… nun ja. Ich konnte nicht glauben, dass jemand mit diesem Gesicht eine Kampfkunst erlernen darf. Ich wär‘ beim Fußball geblieben. Aber gut, er hat’s durchgezogen. Und der Kranichtritt war immerhin spektakulär genug, dass ich damals kurz überlegte, den Couchtisch von IKEA (noch aus dem Möbelhaus in Dorsten!) zur Seite zu schieben.
Teil 2 (1986): Karate Global
Okinawa. Sturm. Trommeln. Ehrenduelle. Ich erinnere mich nur vage, aber mit einem Gefühl, dass es damals irgendwie „größer“ sein wollte als es war. Daniel verliebt sich neu – natürlich – und kämpft diesmal nicht fürs Turnier, sondern für… keine Ahnung, Ehre, glaube ich. Der Film fühlte sich an wie die internationale Version eines Problems, das man auch einfach mit einem Gespräch hätte lösen können. Carradine hätte das in 10 Minuten erledigt. Barfuß. Bei einem Tee.
Teil 3 (1989): Terry Silver – der Bösewicht aus dem Teleshopping
Ich weiß noch, wie ich auf dem Sofa saß und dachte: Das ist jetzt also der Tiefpunkt. Daniel wird übel manipuliert, Mr. Miyagi guckt enttäuscht, und der neue Antagonist sieht aus, als hätter er danach eine Autopoliturwerbung für QVC drehen müssen. Irgendwann wollte ich umschalten, aber es lief gerade nur nichts Gescheites auf irgendeinem anderen Sender. Also blieb ich dran. Und bereute es. Aber nicht sofort. Erst später. Das ist die Heimtücke des Privatfernsehens: Wir merken erst beim dritten Werbeblock, dass wir unsere Lebenszeit wirklich nicht zurückbekommen.
Teil 4 (1994): Karate Kidin (nicht im TV)
Hillary Swank war Julie die neue Daniela. Ich wusste damals noch nicht, wer sie war. Ich wusste nur, dass das wohl der Versuch war, der Reihe noch irgendetwas abzugewinnen. Fortschritt war einzig die Besetzung durch eine junge Frau. Warum nicht? Auch Miyagi war noch da, aber ich spürte deutlich: Der Mann will eigentlich nur noch in Frieden gärtnern. Warum nur haben sie ihn nicht einfach in Ruhe gelassen? Dann ging ich schlafen.
Reboot (2010): Der Film, bei dem ich die Fernbedienung wohl verloren habe
Jaden Smith lernt Karate in Peking. Gut so! Seinem Vater hätte ich die Rolle wohl wirklich nicht mehr abnehmen können. Auch der neue Hausmeister Jackie Chan sagt Dinge mit ernster Miene. Smith hebt seine Jacke auf. Es war technisch sauber, der Geschichte treu, hübsch gefilmt, hatte Herz – aber eben überhaupt nicht meins. Ich habe es nicht einmal bis zum Ende geschafft. Ich glaube, ich bin eingeschlafen. Oder in die Küche gegangen, um die Spülmaschine auszuräumen. Was sagt das über mich? Oder den Film? Ich weiß es nicht mehr.
Cobra Kai (ab 2018): Ironischerweise… sehenswert (aber auch nicht im TV)
Und dann kam Cobra Kai. Eine YouTube-Original-Serie! Ich war skeptisch, natürlich. Aber sie traf etwas. Johnny Lawrence, der ewige Verlierer mit Bierbauch und toxischer Nostalgie. Daniel, jetzt Autohändler mit Bonsai-Tick. Und ich? Ich fühlte mich ertappt. Alt. Müde. Und doch amüsiert. Plötzlich wurde aus der Lachnummer eine bittere Komödie mit echten Momenten.
Vielleicht, weil die Serie anerkennt, was die Filme nie ganz zugeben wollten: Dass wir alle irgendwie, vielleicht, möglicherweise, ein bisschen erbärmlich aussehen, wenn wir versuchen, unsere Jugend immer wieder zu verlängern.
Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht am 30.05.2025.
Kultfilm(e), USA, 1984-2010, FSK: ab 12, Regie (1-3): John G. Avildsen, Mit: Ralph Macchio, Pat Morita, Elisabeth Shue, Jaden Smith, Jackie Chan, uvm. Fediverse: @filmeundserien, @ZDF
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