Ein Film über einen familiären Mikrokosmos, in dem jeder Tisch, jede Wand, einfach alles von patriarchalen Regeln durchzogen ist. Leila ist kein Opfer, sondern eine Frau, die ihre Stimme erhebt, auch wenn sie dafür kaum Raum bekommt. Ein besonderer Film aus dem Iran.
Mich berührt „Leila’s Brothers“ von Saeed Roustaee und er macht mich wütend. Der Film erzählt von einer Frau, die sich weigert, in den patriarchalen Strukturen ihres Landes und ihrer Familie zu ersticken. Leila, (Taraneh Alidoosti), ist das unerschütterliche Zentrum dieser Geschichte – eine Frau, die nicht länger schweigen will, auch wenn um sie herum die Männer an Traditionen festhalten, die längst hohl und brüchig geworden sind.
Saeed Roustaee, geboren 1989 in Teheran, hat sich in seinen Filmen immer wieder mit sozialen Konflikten im Iran auseinandergesetzt. Mit „Leila’s Brothers“ ist ihm ein noch kompromissloseres Werk gelungen – ein Film, der zeigt, wie eng wirtschaftliche Krise und patriarchale Gewalt verwoben sind. Roustaee selbst musste für diesen Mut einen hohen Preis zahlen: Nach der Premiere des Films in Cannes 2022 wurde er 2023 im Iran zu sechs Monaten Haft verurteilt (New York Times). Seine „Schuld“? Dass er den Film ohne Genehmigung gezeigt hatte, weil die Zensur ihn nicht freigeben wollte. Neun Tage Gefängnis, ein Pflichtkurs über „filmemacherische Prinzipien im Einklang mit nationalen Interessen“ – das ist der Preis, wenn ein Mann im Iran Kunst macht, die den Finger in die Wunde legt.
Im Westen wurde „Leila’s Brothers“ dagegen gefeiert. Kritiker lobten die schonungslose Darstellung familiärer Machtstrukturen, die dichte, fast klaustrophobische Atmosphäre und die unglaubliche Präsenz von Taraneh Alidoosti. Peter Bradshaw vom Guardian nannte es ein „fesselndes Familiendrama“ und betonte, wie sehr der Film von Alidoostis „glühender Darstellung“ lebt (The Guardian). Auch andere Kritiken hoben die gesellschaftliche Relevanz hervor und bezeichneten Roustaees Film als einen der kraftvollsten Beiträge des iranischen Kinos der letzten Jahre.
Was mich an „Leila’s Brothers“ beschäftigt hat, ist, dass der Film nicht nur eine Frau zeigt, die sich wehrt – er zeigt vor allem auch die Erbärmlichkeit und die Verlorenheit der Männer, die in diesen Strukturen gefangen bleiben. Roustaee urteilt nicht, er seziert. Er lässt uns spüren, wie eng und stickig diese Welt ist. Und er zeigt, dass das patriarchale System nicht nur Frauen unterdrückt, sondern auch Männer zerstört: Männer, die sich mit leeren Titeln und falschen Versprechen selbst belügen, während die Frauen längst die Verantwortung übernehmen, die eigentlich niemand tragen will.
Es ist ein Film ohne Pathos, ohne große Gesten – und gerade das macht ihn so bewegend. Die Konflikte, die Leila austrägt, mit ihren Brüdern, ihrem Vater, sind keine fernen Dramen; sie sind Alltag für viele Frauen im Iran. Was bleibt, ist der Blick dieser Frau: klar, unnachgiebig, voll Trotz und Hoffnung. Ich habe beim Zuschauen immer wieder an das gedacht, was ich, meistens nur im Fernsehen, von iranischen Frauen gesehen, gehört und gelernt habe. An ihre Geschichten von Alltagswiderstand, von kleinen Siegen, von einem Leben, das sich Freiheit erkämpft.
Roustaee schafft mit „Leila’s Brothers“ einen Raum, in dem diese Geschichten Platz haben. Kein Opferkult, kein Pathos – nur das, was wirklich ist. Und das ist unbequem, ehrlich und notwendig. Für mich persönlich ist es ein Film, der lange nachwirkt, weil er nicht nur von Leila erzählt, sondern auch von all den Frauen, die wie sie nicht mehr schweigen wollen. Ein Film, der zeigt, wie Kunst dort Hoffnung schafft, wo Worte einfach nicht mehr reichen.
Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht am 02.06.2025.
Drama, Iran, 2022, FSK: ?, Regie: Saeed Roustayi, Drehbuch: Saeed Roustayi, Produktion: Javad Noruzbegi, Saeed Roustayi, Musik: Ramin Kousha, Kamera: Hooman Behmanesh, Schnitt: Bahram Dehghani, Mit: Taraneh Alidoosti, Saeed Poursamimi, Navid Mohammadzadeh, Payman Maadi, Farhad Aslani, Mohammad Ali Mohammadi, Nayereh Farahani, Mehdi Hoseininia, Fediverse: @filmeundserien
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