Wenn ein öffentlich-rechtlicher „Spartensender“ gleich 10 Spielfilme eines US-amerikanischen Comedy-Duos, das schon seit 100 Jahren einen ewigen Maßstab für das ganze Genre darstellt, zum „Tag der Deutschen Einheit“ in das Programm nimmt, dann ist das wahrhaftig ein kulturelles Großereignis und ganz besonderer Feiertag für den Sender und sein Publikum.
Auf anderen, mehr der Öffentlich-Rechtlichen-Rundfunkpolitik gewidmeten Blogs geht es derzeit – aus ganz nachvollziehbaren Gründen – hoch her. Ein Thema, unter anderen, ist die Frage nach der notwendigen Anzahl der von ARD und ZDF betriebenen Sender, dem „Rundfunkauftrag“ und wie viele „Kultursender“ wir uns eigentlich leisten wollen.
Und ganz natürlich wird in dem Zusammenhang die Frage gestellt, was dieser Kulturbegriff eigentlich umfasst, was davon zum öffentlich-rechtlichen Auftrag gehört – und wie viele Sender es eigentlich braucht, um ihm gerecht zu werden.
Ein ganz wundervoll subtiler Kommentar der ARD zum Thema ist es (ausgerechnet auf dem ungeliebten Sender ONE, der eigentlich nur existiert, weil nach einer Ausstrahlung das dort gesendete Material sich hinreichend für das Angebot in einer Mediathek qualifiziert) ein kulturell und filmhistorisches Statement zu setzten. Ein Statement, aus einer Zeit, in der sämtliche Rundfunkpolitiker:innen und der allergrößte Teil des Publikums äußerst wahrscheinlich noch gar nicht geboren waren.
Die deutschen Titelübersetzungen sind eine Kulturschande, für die sich unser Land noch sehr, sehr lange schämen sollte. Aber ich gebe zu: “Dick&Doof” hat sich mir als kleines Schulkind sehr gut eingeprägt. Den grossen Künstlern Stan Laurel, der alles war, aber nicht doof, und Oliver Hardy wurde und wird das nicht gerecht – es diffamiert sie eher. Die ARD gibt Ihnen ab heute die Chance sich davon ein eigenes Bild zu machen und präsentiert die Kunst dieser Männer zehnmal in Spielfilmlänge.
Ich bin da ganz bei Martin. Auch wenn für den diskriminierenden Titel nicht die ARD, sondern viel mehr das damals ausführende ZDF, welches die alten Filme ab 1970 für sein Vorabendprogramm recyclet hat, verantwortlich war, hätte es der ARD heute doch mindestens gut gestanden, sich edlich von dieser „Marke“ zu lösen und die Serie heute einfach unter „Laurel & Hardy“ oder „Stan & Ollie“ zu präsentieren.
Content-Warnung
Ob für fast 100 Jahre alte Comedy noch eine Content-Warnung notwendig ist, liegt im Ermessen derer, die so etwas entscheiden müssen. In „Dick und Doof hinter Schloss und Riegel“ (1931) gibt es eine längere Episode, in welcher die beiden Protagonisten mit geschwärzten Gesichtern („Blackfacing“) auftreten.
Das wäre sogar 1931 eigentlich schon rassistische Kackscheiße gewesen, ist hier allerdings tatsächlich durch die Handlung vermittelt, in der die beiden Flüchtigen sich unter den Baumwollpflückerinnen auf einer Plantage verstecken – und von eben diesen gedeckt werden, bis sie eben dennoch auffliegen. Keine besonders gute Idee eben.
Es ist, was es ist: Ein Teil der Film- und deutscher Fernsehgeschichte. Und dafür, diese Geschichte im Original wieder zurück auf die Bildschirme und in die Mediathek zu holen, gebührt der ARD mein großer Dank.
Denn tatsächlich ist ein solches Manöver, 10 Filme (sowohl im Originalton als auch in der Sychronisation) in zwei Nächten und einem Nachmittag auf den Sender zu bringen, nur in einem öffentlich-rechtlichen Ökosystem überhaupt denkbar und möglich. Und damit belegt dieses System eigentlich ganz unmittelbar auch seine absolute Notwendigkeit.
Und genau dafür brauchen wir „One“ oder „Neo“?
Zur Reformierung des ÖRR habe ich viele Ideen. Tatsächlich aber beschränken diese sich nicht auf das Runterzählen (und wahlweise Streichen) der verfügbaren Sender, sondern mehr dem, was auf diesen Sendern eigentlich zu sehen ist. Und die vermaledeite Rundfunkstaatsvertragsmechanik, dass nichts in die Mediathek darf, was zuvor nicht auf einem dieser Sender zu sehen gewesen ist.
Wären die Mediatheken ein tatsächlich von den Sendern unabhängiger ÖR-Kanal, der nach dem Auftrag der Rundfunkstaatsverträge eben das zeigen kann, was andere nicht zeigen wollen, weil damit kein Geld zu verdienen ist, dann wäre so viel inhaltliche Freiheit gewonnen, dass ich um einige der linearen Sender vielleicht tatsächlich nicht traurig wäre. ARTE und 3Sat wären aber sicher nicht darunter.
Für mich sind „Laurel & Hardy“ seit gestern, heute und morgen ein großes Fest.
Feiern Sie mit?
Im Fediverse empfehlenswert zum Weiterlesen auch: @altpapier oder @leonido.
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