Ambivalent ist der Autor dieser Zeilen, angesichts dieses modernen Märchens. Eigentlich eine unwahrscheinliche Aufsteigergeschichte aus dem Vereinigten König:innenreich, ist es gleichermaßen die Hollywoodversion einer Künstlerbiographie, die selbst ein Produkt der aus sich selbst gespeisten Medien-Hypes von Casting-Shows und Andy Warhols 15-Minuten-Ruhm-Theorie ist.
Ambivalent ist der Autor auch, angesichts des Produzenten dieses Werks, Harvey Weinstein. Eines Mannes, der zu seiner Zeit wie nur wenige andere das Prinzip der Ausbeutung von „Kunst für Geld für Macht“ beherrscht hat. Und sich selbst damit eine Position der – zeitweisen – Unangreifbarkeit geschaffen hat… Ungezählte Frauen haben einen lebenslangen Preis dafür bezahlt, dass vor allem ungezählte Männer jahrzehntelang weggesehen haben.
Ambivalent können wir auch sein, weil dieser Film tatsächlich leider nur ziemlich durchschnittlich ist. Wofür sollte man ihn also feiern?
Nun, es gibt tatsächlich einige Gründe dafür. Denn am Ende der Geschichte steht ein Gewinner. Paul Potts, der singende Handyverkäufer und Opernsänger aus Bristol gewann weit mehr als 15 Minuten Ruhm. Auf die TV-Casting-Show-Karriere folgten mehrere Welttourneen durch Fernsehstudios und Opernhäuser und Millionen verkaufter Tonträger. Dass der Mann „nur“ ein durchschnittlicher Opernsänger ist, tat dem Erfolg keinen Abbruch. Die meisten Opernsänger wären vermutlich auch selbst nur sehr durchschnittliche Handyverkäufer.
Feiern dürfen wir den Film für seinen Hauptdarsteller. Auch wenn der eigentlich überhaupt nicht wirklich singen kann, außer Karaoke – und erst recht keine Opern. Hier ist er noch gute 10 Jahre von der „Late-Late-Show“ entfernt, mit der er sich, weit über die USA hinaus, als eine der dominierenden Figuren des US-Fernsehens durchgesetzt hat. Sein „Carpool-Karaoke“ (Youtube) wurde ja tatsächlich zu einer eigenen internationalen Kunstform. Ob diese die Welt besser gemacht hat, entscheiden sie besser selbst. Köstlich unterhalten hat sie uns fast immer.
Ich feiere den Film auch für Colm Meaney. Auch wenn er hier keine wirklich große Rolle spielt. Doch wie der einstige Chefingenieur der Enterprise es erfolgreich vermeiden konnte, auf diese Rolle und den überwältigenden Mythos und das Klischee dieser Fernsehserie festgelegt zu werden, das nötigt mir den wirklich allerhöchsten Respekt ab. Wie der kantige Ire aus Dublin sich über Jahrzehnte einen Status in der ersten Reihe des britisch/irischen Kinos, ungezählter Hollywoodblockbuster und kleiner, schmutziger Independentfilme erarbeitet hat, ist ziemlich einmalig.
Und zum Schluss feiere ich uns. Denn stellen wir uns vor, dieses sei eine Geschichte aus Deutschland. Dann hätte/n Stefan Raab oder Dieter Bohlen das vermutlich nicht nur produziert, sondern alle Rollen und die Filmmusik gleich auch noch selbst gespielt.
Glückliches England!
Spielfilm, Großbritannien, USA, FSK: ab 6, Regie: David Frankel, Drehbuch: Justin Zackham, Produktion: Simon Cowell, Michael Menchel, Kris Thykier, Harvey Weinstein, Musik: Theodore Shapiro, Kamera:Florian Ballhaus, Schnitt: Wendy Greene Bricmont, Mit: James Corden, Mackenzie Crook, Julie Walters, Jemima Rooper, Colm Meaney, Simon Cowell, Alexandra Roach, u.a.
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