Ja wie nun? Begehe ich hier gleich zwei Todsünden für den aufgeklärten Blogger? Einmal – entgegen meines mir selbst gegebenen Schwurs – einen Weihnachtsfilm zu besprechen. Und dann auch noch einen, welcher der zutiefst deutschen Leitkultur des Schnitzelverzehrs huldigt. Ganz ehrlich, Leute, ich sehe den Konflikt. Doch Armin Rohde und Ludger Pistor bin ich das einfach schuldig.
Alle Dortmunder:innen wissen, auf dem Hansaplatz steht keineswegs der größte Weihnachtsbaum Deutschlands. Dieses Monstrum deutscher Leitkultur ist in Wahrheit ein Frankensteinbaum. Zusammengesetzt aus über 1.700 Rotfichten aus dem Wahlkreis im Hochsauerland in welchem der Kandidat der Union es vermocht hat, mit nur noch 40% der Erststimmen, dennoch in den Bundestag gewählt zu werden. Nur zur Erinnerung: vor 40 Jahren hatte der CDU Kandidat dort noch 62,9% eingefahren. Dortmunder Oberbürgermeister (keine Frau dabei) wissen wie sich das anfühlt!
Ob die planmäßige Entwaldung des Sauerlandes auch zur deutschen Leitkultur gehört, wage ich anzuzweifeln. Es könnte aber tatsächlich sein, dass die Waldbäuerinnen aus Sundern ohne sie in ähnlich prekäre Verhältnisse gedrängt würden, wie Günther Kuballa und Wolfgang Krettek, die Protagonisten meines Weihnachtsfilms. Ihre Versuche aus diesen Verhältnissen herauszukommen, ist im Wesentlichen der Kern ihrer Geschichten.
Günther und Wolfgang kämpfen in Dortmund schon seit 2010 um ihr ökonomisches Überleben. Friedrich Merz erhielt im selben Jahr „5.000 Euro pro Tag auch samstags und sonntags (insgesamt 1.980.000 Euro für 396 Tage) für „erfolglose Arbeit“ vom Steuerzahler“ – so steht es jedenfalls in der Wikipedia, den ZDF Frontal Bericht dazu habe ich leider nicht mehr auftreiben können.
Mit 150.000 Euro – also dem Lohn des Sauerländers für 30 Tage harter „Arbeit“ – hatten unsere Helden in der ersten Folge (2010) dieser kleinen Filmreihe (+Miniserie) zu tun. Und am Ende hatte der Dortmunder Zoo ein saniertes Robbenbecken. Und so wie die Summen im Lauf der Jahre für die beiden Freunde gefühlt immer kleiner wurden, so sind sie auch zusammengewachsen, zu Prototypen, von denen das deutsche Fernsehen nicht mehr viele hat.
Von Glück können wir reden, dass Günni es in all der Zeit nicht geschafft hat, nach Kanada auszuwandern. So müssen wir hier zwar mit ansehen, wie er mit Wolfgang – ausgerechnet zu Weihnachten – die gemeinsame Schnitzelbude aufgibt, doch die Zeit um in den Sonnenuntergang zu segeln war letztes Jahr noch nicht gekommen. Statt dessen trugen sie das ihre zu einem kleinen Dortmunder Weihnachtswunder bei.
Weihnachtsfilme geben mir – im allgemeinen – nichts. Doch Sozialkomödien wie die „Schnitzel“ Reihe des WDR liebe ich einfach. Weil sie immer loyal zu ihren Protagonisten steht. Weil sie Menschen nicht diffamiert, sondern die kleinen Verhältnisse authentisch beschreibt. Und weil sie den anarchistischen Humor und die Menschen des Ruhrgebiets einzufangen versteht, ohne auf billige Lacher auf Kosten ihrer Figuren zu setzen.
Hier dürfen sie lachen, auch weinen oder nur gerührt sein, von der Geschichte und den Menschen. Und am Ende schneit es. Kein Märchen.
Wenn sie sich dieses Jahr nur einen Weihnachtsfilm ansehen können, dann nehmen sie diesen!
Schnitzel geht auch vegetarisch!
„Das Weihnachtsschnitzel“ (2022) – in der ARD Mediathek bis 23.12.2024
Fernsehfilm, Deutschland, 2022
FSK: 0
Regie: Wolfgang Murnberger
Drehbuch: Katja Kittendorf, Gabriele Graf
Musik: Stefan Bernheimer, Markus Gartner
Casting: Iris Baumüller
Kostümbild: Susa Sasserath
Szenenbild: Thomas Schmid
Schnitt: Guido Krajewski
Kamera: Peter von Haller
Produktion: Gabriele Graf
Redaktion: Götz Bolten
Mit: Armin Rohde, Ludger Pistor, Therese Hämer, Cristina Do Rego, Ramona Kunze-Libnow, Peter Franke, Jule Böwe, Ulrich Gebauer, Haley Louise Jones, Heike Trinker, Martina Eitner-Acheampong,
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