Das Debüt von Jean-Jacques Beineix war eine internationale Arthouse-Sensation, die in einigen Pariser Kinos über ein Jahr lang gelaufen ist, vier „Césars“ abgeräumt und im Alleingang das „Cinéma du look“ erschaffen hat. Eine visuell atemberaubende Explosion. Die Hochzeit von Punk & Oper. Und sowieso ein ewiger Lieblingsfilm.
Im Jahr 1981 war ich 16 Jahre alt. Gerade alt genug also, um legal alleine ins Kino gehen zu können, um all die Filme zu sehen, die mir die „Freiwillige Selbstkontrolle“ vorher nicht zumuten wollte. In dieser Zeit wurde der Grundstein für meine lebenslange Liebe für die Programmkinos in meiner Heimatstadt Essen gelegt. Und der Beginn meiner lebenslangen Dankbarkeit für das Lebenswerk der Marianne Menze… Ohne sie (und ihre Kolleg:innen der damals noch so viel vielfältigeren Kinolandschaft in Essen), würde es diesen Blog heute nicht geben.
Ich weiß allerdings nicht mehr, in welchem Programmkino (Filmbühne, Broadway, Eulenspiegel?) ich den Film gesehen habe. Ich weiß nur, dass es der Beginn meiner, ebenfalls lebenslangen, Verehrung von Jean-Jaques Beinex war. Dem Regisseur, der mit zwei seiner Filme, „Diva“ (1981) und (vor allem) „Betty Blue – 37,2 Grad am Morgen“, quintessential meine Leidenschaft für das Kino und damit mein ganzes Leben beeinflussen sollte.
Der junge Postbote Jules ist ein großer Verehrer der weltberühmten Opernsängerin Cynthia Hawkins. Als es ihm gelingt, einen illegalen Mitschnitt eines ihrer Konzerte zu bekommen, ist er überglücklich. Als seine Tonbandaufnahme verwechselt wird, gerät Jules in große Gefahr.
„Diva“ schafft es immer wieder in das Programm der Mediatheken. Und dafür bin ich dankbar. Denn so kann ich immer wieder darüber schreiben. Und, ich sage euch, der zivilisatorische Fortschritt der Menschheit mag die Welt in vielen Bereichen zu einer besseren – und in anderen Bereichen zu einer viel schlechteren gemacht haben. Das Kino, das wir heute kennen, wäre undenkbar, ohne die wahrhaftigen, ästhetischen, technischen und erzählerischen Gipfelstürmer:innen ihrer Kunst jener Zeit.
Es ist ein ganz „kleiner“ Film. Eigentlich ein Krimi. Jedenfalls ein Film, der in jeder Einstellung, jedem Einzelbild darauf angelegt wurde, von seinem Publikum geliebt zu werden. Ersetzt Ästhetik hier die Geschichte? Oder ist sie nicht tatsächlich eine weiterentwickelte Form der Erzählkunst?
Cinéma du Look
Beinex wird oft als großese Vorbild von Luc Besson genannt, und ihr gemeinsamer visueller Stil „Cinéma du Look“. Für mich passt das. Aber eigentlich war’s mir auch egal. Denn solche Schubladen werden meistens erst im Rückblick erfunden. Irgendwas müssen sich all die Film- & Kunsthochschulen ja auch ins Kurrikulum schreiben. Das verstehe ich. Aber wenn du gerade im Kino sitzt und dem Rausch der Geschichte und der Bilder ausgesetzt bist, dann interessiert das dort echt niemanden. Doch wenn die Leute 40 Jahre später immer noch in die Kinos rennen, um diese Filme dort zu erleben, wofür sie eigentlich geschaffen wurden, dann ist es eben ein „Kultfilm“.
Ich hoffe, sie haben den größtmöglichen Großbildfernseher zu Hause und die bestmögliche Soundanlage, um den visuell-akustischen Rausch von „Diva“ nur im Ansatz replizieren zu können. Wenn das gegeben ist, und sie eine kleine, smart ausgedachte Krimi-Geschichte und sie möglicherweise auch den fein-ironischen zeitgenössischen Kommentar zu der in den 80ern gerade erfundenen Anti-Piracy Kampagne der Musikindustrie „Home Taping Is Killing Music“ goutieren können, dann ist dieser Film genau für sie gemacht.
Und wenn sie dann das nächste Mal nach Paris kommen, dann wollen sie sowieso keinen Mietwagen nehmen, keinen Scooter und auch nicht die Metro. Dann suchen sie sich ein kleines, altes Moped.
Bestimmt!
Wenn sie mir nicht glauben, dann lesen sie diese feine Kritik aus der New-York-Times: „It Took Me 40 Years to Watch the Movie ‘Diva.’ It Was Worth the Wait.“ von Wesley Morris und schauen dann in der Mediathek vorbei.
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Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht am 03.02.2024.
Kultfilm, Frankreich, 1981, FSK: ab 14, Regie: Jean-Jaques Beneix, Buch: Jean-Jacques Beineix, Jean Van Hamme, Musik: Vladimir Cosma, Alfredo Catalani, Charles Gounod, Kamera: Philippe Rousselot, Mit: Frédéric Andréi, Wilhelmenia Fernandez, Richard Bohringer, Dominique Pinon, Gérard Darmon
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