Todd Haynes hat das Leben von Bob Dylan verfilmt, bevor der alte Mann jüngst wieder „hip“ wurde. Und die Art und Weise, wie er das getan hat, hat ihn auf die Liste jeder Regisseur:innen gesetzt, deren weiteres Werk unbedingt auf meine Filmliste gehören. Manchmal ist es eben nur ein einziger Film. Bei Haynes ist es nicht dabei geblieben.
Denn dieser Film von Todd Haynes steht, anders als sein experimentelles Dylan-Feature fest in der Tradition des großen Hollywood Whistleblower-Kinos. Ich liebe das Genre spätestens seit „Die Unbestechlichen“ (Watergate, 1976). Der große Film von Alan J. Pakula mit Robert Redford und Dustin Hoffmann hat seither mehrere Generationen geprägt. Und wer danach nicht „Journalist:in“ werden wollte, hat ihn wohl tatsächlich nie gesehen.
Aber auch neuere Filme, wie „Die Verlegerin“ (2017) mit Meryl Streep und Tom Hanks, insbesondere Umwelt- und Justiz-Thriller wie der Oscar-Preisträger „Erin Brockovich“ (2000) mit Julia Roberts oder der Oscar-nominierte „Zivilprozess“ (1997) mit Travolta… nahmen das Genre auf und repräsentieren ein Hollywood, das ich einfach besonders schätze, weil es relevant sein will.
Mark Ruffalo spielt in „Vergiftete Wahrheit“ einen Rechtsanwalt, der es im Alleingang mit einem Chemieriesen aufnimmt und einen der größten Umweltskandale der US-Geschichte aufdeckt. Der wandlungsfähige Hollywoodstar, unter anderem als „Hulk“ aus den Marvel-Verfilmungen bekannt, zeigt in der Rolle des unbeugsamen Außenseiters eine grandiose Schauspielleistung. An seiner Seite sind die Oscarpreisträger Tim Robbins und Anne Hathaway zu sehen. Todd Haynes führte Regie bei dem spannend erzählten Justizdrama, das auf einem Artikel im „New York Times Magazine“ über den Anwalt Robert Bilott beruht.
ARTE Programmtext
Ohne Mark Ruffalo hätte es diesen Film von Haynes wahrscheinlich nicht gegeben. Denn der Mann, bekannt als der „Hulk“, hat nicht nur diese Hauptrolle unbedingt spielen wollen, er hat auch das Geld, das er zuvor bei Marvel verdient hat, als Produzent in diesen Film investiert, weil es eine Geschichte war, die er unbedingt erzählen wollte.
Denn „Vergiftete Wahrheit“ hat verdammt viele Gemeinsamkeiten mit einem anderen Ruffalo Film, eigentlich auch ein moderner Klassiker, ganz wie die zuvor genannten: „Spotlight“ (2015), von Tom McCarthy, der einen Oscar als bester Film und eine Nominierung für Ruffalo als bester Nebendarsteller mit nach Hause genommen hat. Beide Filme sind jeweils eine methodische Untersuchung von Strategien zur Aufdeckung von Wahrheit – juristische im Fall von „Vergiftete Wahrheit“, journalistische im Fall von „Spotlight“.
Sagen ihnen „Ewigkeitschemikalien“ etwas? „Vergiftete Wahrheit“ erzählt eine Geschichte über eben diese Stoffe und die Enthüllungen über die skrupellosen Praktiken des US-Chemie-Giganten DuPont. Der Film ist aber ebenso eine Ergänzung zu „Foxcatcher“, sie ahnen es, einem weiteren Ruffalo-Film. In dem Sportdrama aus dem Jahr 2014 spielte er bereits die Hauptrolle des olympischen Wrestlers Dave Schultz, der 1996 vom Erben eben jenes Chemieimperiums ermordet wurde.
All diese Filme Ruffalos erzählen also, aus jeweils ganz gegensätzlichen Perspektiven, auch von der Immunität, die unsere Gesellschaft mächtigen Familien gewährt, die ganze Großunternehmen kontrollieren. Geschichten über die, die sich als Elite gebaren, sich über Politik, Gesellschaft und Justiz erhaben fühlen. Die von konservativen, libertären, reaktionären und grenzfaschistischen Parteien und Organisationen hofiert werden – und genau wissen, wie sie eben diese zu ihren Zwecken instrumentalisieren.
Kommt Ihnen daran irgendetwas bekannt vor?
Warnung: Nachdem sie diesen Film – nach einer wahren Geschichte – gesehen haben, werden sie ihre Küche aufräumen und für den Rest ihres Lebens keine „Teflon„-Pfanne mehr in die Hand nehmen!
Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht am 06.12.2023. Permalink: https://nexxtpress.de/b/QXk
Öko-Justiz-Drama, USA, 2019, FSK: ab 6, Regie: Todd Haynes, Drehbuch: Mario Correa, Matthew Michael Carnahan, Produktion: Pamela Koffler, Mark Ruffalo, Jeff Skoll, Christine Vachon, Musik: Marcelo Zarvos, Kamera: Edward Lachman, Schnitt: Affonso Gonçalves, Mit: Mark Ruffalo, Anne Hathaway, Tim Robbins, Bill Camp, Victor Garber, Bill Pullman, Mare Winningham, Richard Hagerman, William Jackson Harper, Louisa Krause, Kevin Crowley, Denise Dal Vera, John Newberg, Elizabeth Marvel, Fediverse: @filmeundserien
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