Wie oft ich diesen Film gesehen habe, weiß ich wirklich nicht mehr. In fast 50 Jahren hat er allerdings nichts von seinem Eindruck auf mich eingebüßt. Ein richtig harter Thriller. Ein großartiger New-York-City-Film, der sich lange in ihrem Unterbewusstsein einnisten wird. Joggen gehen ist danach vermutlich eine gute Therapie. Zum Zahnarzt gehen Sie danach aber freiwillig nie wieder.
Ich wäre gerne mal dabei, wenn dieser Film vor einem jungen Publikum gezeigt wird, das nur das Action-Kino der letzten 10 oder 20 Jahre kennt. Ich würde gerne herausfinden wollen, ob er noch immer diese fast körperlich zu fühlende Spannung auszulösen in der Lage ist, wie damals, Anfang der Achtziger Jahre, als ich ihn zuerst gesehen habe.
Damals war ich noch naiv und fast völlig unvorbereitet. Zwar kannte ich Dustin Hoffman bereits, der Mann war ja schon länger nicht mehr aufzuhalten, auf seinem Weg zum Mega-Star. Doch von John Schlesinger wusste ich nicht viel. Auch „Midnight-Cowboy“, den beide schon 1969 gedreht haben, kannte ich noch nicht. Ich hatte tatsächlich noch viel zu lernen.
Nazi-Geschichten haben mich damals wirklich nicht explizit interessiert. Die Siebziger waren noch eine Epoche, da gehörten die als Antagonisten einfach zum Kino. Es gab ja auch tatsächlich noch eine Menge davon. Später wurden sie dann von den Russen abgelöst, dann von den Yakuza, und heute sind es eben Chinesen oder supranationale Syndikate, geführt von irgendwelchen Oligarchen, die einen unbedarften Geschichtsstudenten in höchste Lebensgefahr bringen können, wenn er zur falschen Zeit, die falschen Leute kennt.
Der große Sir Laurence Olivier hat sich in „Marathon Man“ allerdings verdienten Weltruhm erspielt, als einer der legendärsten, menschenverachtensten, perversesten Nazi-Schurken meiner Erinnerung. Und für diese Rolle des absolut Bösen, die Figur eines sadistischen Zahnarztes zu nutzen, war ein wirklich genialer Einfall von Bestseller-Autor William Goldman. Wie sehr es allerdings der globalen dentalen Gesundheit geschadet hat, kann ich nur an mir ermessen. Es war erheblich.
Schon als historisches Dokument aus New-York-City ist „Marathon Man“ grandios, ganz wie sein artverwandter Vorläufer, „Die drei Tage des Condors“ (1975), mit Robert Redford, Freund und nicht minder legendärer Filmpartner Hoffmans in einem anderen legendären Film, ebenfalls nach einem Buch von William Goldman, ebenfalls 1976.
Allein die legendäre Jogging-Strecke zu besuchen, wäre fast den CO₂-Fußabdruck für eine Reise wert. Sie existiert noch, auch wenn der ehemalige Maschendrahtzaun wohl schon mehrfach ersetzt werden musste. Ich habe es nie bis dort hingeschafft. Und unter dem neuen (alten) Präsidenten, muss ich auch nicht mehr hin. Mir bleibt ja das Kino aus dem alten Amerika.
Für alle Menschen, die älter als 16 sind, und diesen seltenen Film im deutschen TV noch nie gesehen haben, empfehle ich ihn fast ohne Vorbehalte. Auch wenn er ein sehr brutales Meisterwerk aus einem anderen Jahrhundert ist. Damals waren eine gute Geschichte, eine dynamische (magnetische?) Kamera (Conrad L. Hall) und spektakuläre Schauplätze für einen Regisseur wie Schlesinger genug, um mit den besten verfügbaren Schauspieler:innen der Welt einen Film für die Ewigkeit zu machen.
@3sat hält ihn, wenn die Angaben stimmen, ein ganzes Jahr in der Mediathek verfügbar. Eigentlich müsste ich ihn dafür im Blog ganz oben anheften.
„It’s not safe… it’s very dangerous, be careful.“
Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht am 21.01.2025.
Thriller, USA, 1976, FSK: ab 16, Regie: John Schlesinger, Drehbuch: William Goldman, Produktion: Sidney Beckerman, Robert Evans, Musik: Michael Small, Kamera: Conrad L. Hall, Schnit: Jim Clark, Mit: Dustin Hoffman, Laurence Olivier, Roy Scheider, William Devane, Marthe Keller, Fritz Weaver, Richard Bright, Marc Lawrence, Allen Joseph, Tito Goya, Ben Dova, Lou Gilbert, Jacques Marin, James Wing Woo, Nicole Deslauriers, Lotte Palfi-Andor, Alma Beltran,
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