Juliette Binoche – Paradise Highway (2021)

„Paradise Highway“ mit Juliette Binoche & Morgan Freeman in der ZDF Mediathek

Erinnern sie sich überhaupt noch an 2021? Für mich ist das Jahr in meiner Erinnerung kaum mehr vom vorhergehenden 2020 oder dem folgenden 2022 zu unterscheiden. Die Covid-Lockdowns sind im Rückblick irgendwie alle nahtlos ineinander übergegangen. An (Dienst-)Reisen war nicht zu denken, Familienfeiern ausgesetzt und die Tage im Homeofficekeller vergingen, einer nach dem vorherigen wie der nächste. Auch – und längst nicht nur – Hollywood, der ganze globale Kunst- und Kulturbetrieb stand monate-, wenn nicht jahrelang quasi vor einer roten Ampel. Viele Existenzen wurden dabei ruiniert.

Für die Überlebenden ging das Leben weiter. Wir mögen „das schlimmste“ möglicherweise – und dann zum Glück – inzwischen hinter uns haben. Auf Vorhersagen gebe ich allerdings nichts. Doch erlaubt es uns, nun einen „Rückblick“ zu halten, auch auf das wenige kulturelle, welches unter „Social-Distancing-Bedingungen“ in dieser Zeit produziert werden konnte. Der hier empfohlene Hollywood-Thriller ist ein wirklich exemplarisches Beispiel.

Video: Kinotrailer – Paradise Highway (Capelight Pictures)

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Die Kritiker:innen haben die Produktionsbedingungen von „Paradise Highway – Strasse der Angst„, dem Kinodebut von Regisseurin und Autorin Anna Gutto weitestgehend ignoriert, dabei handelt es sich bei der Überwindung der Covid-Restriktionen eigentlich um ein zentrales künstlerisches Element dieses Filmes. Fast der gesamte Film spielt außerhalb geschlossener Räume. Massenszenen kommen nicht vor. Und überhaupt nur sehr wenige Menschen. Eigentlich aber doch ein durch und durch „konventioneller“ US-amerikanischer Thriller? Nein! Ein hartes feministisches Roadmovie, gewissermaßen Rubber Duck mit DoppelX-Chromosomen. Eine Crime-Story über Menschen-(Kinder)handel irgendwo in Mississippi im prekären Süden der USA.

Wie wenig „konventionell“ der Streifen wirklich ist, wird auch beim Blick auf die sehr kurze Besetzungsliste deutlich: Ein solches Zusammentreffen der europäischen Filmgöttin Juliette Binoche und des amerikanischen Charakterboliden Morgan Freeman hat es vorher noch nie gegeben. Und auch weil sie im Film nur in einer einzigen Szene aufeinandertreffen, entwickelt sich die ganze Handlung eigentlich nur zwischen diesen beiden Polen. Machen sie sich einfach nichts aus dem etwas dünnen Drehbuch, denn eine tragende Nebenrolle kommt hier einem 18-Wheeler-US-Truck zu, der, tatsächlich souverän gesteuert von Binoche (das Fahren hat sie extra für den Film gelernt), den sich fortbewegenden zentralen Handlungsort des Films definiert.

Frau Binoche ist auch in meiner eigenen kleinen Welt eine Göttin. Ich verehre sie seit vielen Jahrzehnten zutiefst. Hier ist sie so tough, mit so wenig Make-Up wie so eben möglich. Mit Stirnband im strähnig ungewaschenen Haar, Karohemd und abgeranzter Jacke, gibt sie eine LKW-Fahrerin, die nur wenig mit ihrem bisherigen Rollenportfolio gemein hat – außer dass sie wieder einmal nachhaltig  daraus ausgebrochen ist. Die Rolle soll ihr so wichtig gewesen sein, dass sie ihre Gage freiwillig auf den gewerkschaftlichen Mindestlohn zu reduzieren bereit war.

Und Morgan Freeman? Herjeh… der Mann hat Nelson Mandela, den amerikanischen Präsidenten und Gott höchstselbst gespielt! Mehr geht nicht! Seine Rolle als FBI-Agent kurz vor der Rente spielt er hier natürlich souveränst (sic!) und entspannt herunter. Doch so macht er auch die Auflösung des Falles und die wenigen gemeinsamen Minuten mit Binoche zu einem tatsächlichen Höhepunkt.

An den (geschlossenen) Kinokassen war dieser Film – koproduziert vom ZDF – ein Totalausfall. Natürlich war er das! Oder wie oft waren sie 2021 im Kino? Dafür können wir ihn nun (schon seit August) aber noch etwa eine Woche in der Mediathek sehen.

Und das ist unser Gewinn.


Paradise Highway – Straße der Angst, USA 2021 – bis 12.11.2023 in der ZDF-Mediathek

Drehbuch und Regie: Anna Gutto

Mit: Juliette Binoche, Hala Finlay, Frank Grillo, Morgan Freeman, Cameron Monaghan, Veronica Ferres, Christiane Seidel


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