„Paris, 1960. Als Anwärter im elitären System des französischen Geheimdienstes wird der ambitionierte André Merlaux als Agent ausgebildet. Bereits am ersten Tag lernt er eine wichtige Lektion: jegliche unwichtige, aber falsch interpretierte Information kann zum Ausbruch eines Weltkrieges führen…“
So teasert Amazon diese kleine funkelnde ARTE Mediathekperle. Und verlangt EUR 16,99 für eine Staffel der Serie auf der hauseigenen Streamingplattform. Kann schon sein, dass das ein angemessener Marktpreis dafür ist. Woher soll ich das wissen? Ich nutze keine kapitalistischen Contentmaschinen. Erst recht nicht, wenn das Material eigentlich aus öffentlich-rechtlich subventionierten Produktionen stammt.
Nun entspricht der Amazon-Kaufpreis einer Staffel in etwa dem Rundfunkbeitrag den uns die öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland pro Monat kosten – wenn wir die Fußball-Lizenzen und Böhmermann Silbereisen davon mal großzügig abziehen. Und da ARTE seit heute gleich beide Staffeln wieder in sein Programm nimmt, bekommen wir diesen Monat also quasi „unser Geld zurück“. Oder werden beschenkt. Ganz wie sie das verstehen wollen.
Louis De Funes trifft John le Carré
Für die FAZ hat Heike Hupertz gewissenhaft hingeschaut und mitgeschrieben:
Die Geschichte des Kalten Krieges muss dringend umgeschrieben werden, jedenfalls die großwetterlagenpolitischen Aktionskapitel. Die Invasion in der Schweinebucht am 17.April 1961 etwa geschah nicht auf Betreiben der Amerikaner, sondern war eine Art peinlicher Geheimdienst-Dechiffrierunvermögen-Unfall auf französischer Seite. Dass zwischen den Alliierten im Nachkriegs-Berlin das Tischtuch endgültig zerschnitten wurde, ergab sich nicht aus den Differenzen der Mächte, sondern fügte sich spontan aus der naiven Einlassung eines Agenten der Franzosen, der sich mit der Zonen-Arithmetik zwar heillos überfordert fühlte, aber endlich einmal etwas zu sagen haben wollte. Selbst der Putsch in Algerien konnte nur passieren, weil Geheimdienstchef Colonel Mercaillon (Wilfried Benaiche) die Absichten des französischen Präsidenten missverstanden hatte und lieber im geheimen Hauptquartier der nordafrikanischen Schattenregierung orientalisches Gebäck aß, als draußen der Aufstand losbrach.
Ich hätte in der Schule gerne besser aufgepasst. Dann könnte ich den Dialogen dieser Geheimagent:innen im Dienste des General De Gaulle in ihrer Muttersprache folgen. Ich bin mir fast sicher, das wäre ein großer Spaß. Doch zum Glück ist hier die sprachliche und kulturelle Übertragung in die deutsche Sprache mal kein Grund zur Klage. Denn absurd, komisch und historisch haarsträubend ist das Vergnügen auch in der Synchronisation.
Warum sind „wir“ eigentlich so wenig witzig?
Eigentlich aber, ist diese feine Serie für einen deutschen Fernsehzuschauer, wie mich, nur ein weiterer Grund zum Neid auf die „Grande Nation“. Ich meine, Frankreich, mit seinem durch eine inzestuöse „Elite“ geführten Zentralstaat und der diesem immanenten dysfunktionalen Bürokratie – da kann sich das deutsche Fernsehen zwar mühen und strecken… doch „unser“ Föderalismus und die grundsätzliche Durchschnittlichkeit unseres eigenen Systems ist halt einfach auch sehr viel weniger spektakulär… und sei es in den Witzen, die wir drüber machen.
Wobei… die Frage stelle ich mir… Woran liegt es eigentlich, dass die überaus durchschnittlichen deutschen Geheimdienste tatsächlich soweit unter dem Radar operieren können, dass sie selbst für Satire uninteressant sind? Oder hat einfach noch niemand hingeschaut? Ich würde darüber gerne mal mit gesprochen haben.
Nach ein paar Pastis.
„Frankreich gegen den Rest der Welt“ – ab 08.12. wieder in der ARTE Mediathek
TV-Serie, Frankreich, 2014
2 Staffeln, 24 Folgen
Regie: Alexandre Courtès
Drehbuch: Jean-François Halin, Claire Lemaréchal, Jean-André Yerlès
Produktion: Mandarin Télévision, ARTE F
Produzent/-in: Gilles de Verdière
Kamera: Pascal Rabaud
Schnitt: Bruno Tracq, Nicolas Larrouquere
Musik: Nicolas Godin
Mit: Hugo Becker, Christophe Kourotchkine, Wilfred Benaïche, Karim Barras, Bruno Paviot, Jean-Edouard Bodziak, Mathilde Warnier, u.a.
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