Ich bin mir relativ sicher, dass ein Film wie dieser gegenwärtig keine Chance hätte gedreht zu werden. Eine Romantische-Culture-Clash-Komödie, über ein lesbisches israelisch-deutsches Paar, im Westjordanland zudem, den von israelischen Siedlern besetzten Gebieten Palästinas. Die sprichwörtliche Unmöglichkeit des Unwahrscheinlichen, nicht nur angesichts der politischen Realität und der humanistischen Katastrophe. Auch deshalb ist der Film eine echte Perle.
Lesben und Schwule will man am liebsten immer in der Drama-Ecke zeigen. Und Juden im Holocaust. Ich dagegen habe einen großen Mischmasch aus allem gemacht, um genau diese Absurdität ein bisschen ans Licht zu bringen. In meinem Film kommt von allem etwas vor, vom israelisch-palästinensischen Konflikt bis zur Shoah. Und all das wollte ich witzig und elegant erzählen, ohne die üblichen Klischees nochmal zu bedienen. (…)
Zum Judentum gehört seit jeher das Leiden – und um das zu ertragen, braucht man schon Humor. All diese Tragödien kann ein Volk sonst nicht überleben.
(Shirel Peleg, im Interview mit Queer.de, 10.09.2020)
Witzig und elegant ist gerade eigentlich und wahrhaftig ja gar nichts. Weder in Israel, Palästina, noch in Deutschland. Zu Ernst und brutal ist die politische Realität. Und doch, am Ende eines Tages, leben wir, die Menschen, in eben dieser Realität. Und wo die Liebe eben hinfällt, das bestimmen weder Politik, Religion, noch Konventionen. Auch Familiengeschichte und der Holocaust definieren zwar, wer wir sind und wo wir herkommen, sind aber keine Vorbestimmung unserer Zukunft. Die zu bestimmen, liegt nur an uns.
Das ist die Botschaft, die ich aus dieser kleinen Komödie von Regisseurin und Autorin Shirel Peleg mitgenommen habe. Und eben weil sie das Thema eines „unmöglichen“ Paares mit menschlicher Wärme, mit Komik und Humor und einer grundsätzlichen und zu tiefst humanistischen Botschaft erzählt, ist sie so sehenswert. Und das macht sie tatsächlich so groß.
Luise Wolfram, deren spektakuläres Gesicht ich immer und überall gerne sehe, ganz egal ob sie aufgetakelt als russische Zarin auftritt, oder etwas abgerissen als Linda Selb im Bremer Tatort der ARD, und auch die mir zuvor unbekannte Moran Rosenblatt geben hier ein Paar, welches für mich in jeder Sekunde des Filmes funktioniert. Ihr Spiel, ihr Timing und auch ihre wunderbare Unterschiedlichkeit tragen die unwahrscheinliche Geschichte. Ich mochte sie gerne glauben und habe mich köstlich amüsiert.
Da stellt sich die Frage nicht, ob wir angesichts des buchstäblichen Horrors den wir täglich aus Israel und dem Gazastreifen sehen, ob wir auch vier Jahre später noch über „Kiss Me Kosher“ lachen dürfen.
Deutlich steckt hinter „Kiss Me Kosher“ eine optimistische Vision: dass im Nahen Osten alle nach ihrer höchst eigenwilligen Neigung glücklich werden können, wenn man nur die Temperamente richtig miteinander reagieren lässt. Auch farblich und musikalisch weist Shirel Peleg ihren Film als ein Märchen (oder eine Utopie) aus, sodass einer sexuell liberalen Vielstaatenlösung allgemein gedeihlichen Zusammenlebens zumindest die Richtung gewiesen ist.
(Bert Rebhandl, FAZ, 10.09.2020)
Und was bliebe uns denn, wenn wir keinen Optimismus mehr hätten? Da bin ich im Zweifel immer auf Seiten der Hoffnung. Und gerade deshalb habe ich den Film so gerne gesehen.
„Mazel tov“
„Kiss Me Kosher“ – in der ARD Mediathek bis 26.04.2024
Komödie, Deutschland, Israel, 2020
FSK: 12
Regie und Buch: Shirel Peleg
Produktion: Christine Günther
Musik: Nguyen Baly, Tara Transitory
Kamera: Giora Bejach
Schnitt: Heike Parplies
Mit: Moran Rosenblatt, Luise Wolfram, Rivka Michaeli, Juliane Köhler, Bernhard Schütz, Irit Kaplan, Salim Dau, Eyal Shikratzi, Aviv Pinkas, John Carroll Lynch, Naama Amit, Sarah Markowitz
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