Terrence Malick – To the Wonder (2013)

Terrence Malick – er hat seit 1973 nur zehn Filme gedreht, allein sieben davon in diesem Jahrhundert – ist einer der Regisseure, deren Name allein genügt, dass ich mir einen Film ansehen muss. Und, ja, das muss mensch „wollen“, denn jeder seiner Filme sprengt potenziell alle Erwartungen und Konventionen.

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Inzwischen ist der Mann aus Texas auch schon achtzig Jahre alt. Da neigt sich irgendwann jede Karriere ihrem Ende zu. Wohl auch deshalb ist die Frequenz seines künstlerischen Outputs in den letzten Jahren höher als zuvor. Er wollte offensichtlich noch etwas fertigstellen, was zuvor noch offen blieb.

In seinen Filmen lässt sich unter den Blüten der Metapher und dem philosophischen Blattwerk meistens das Spalier eines mehr oder weniger konventionellen Genres erkennen. „The Thin Red Line“ ist ein Kriegsfilm. „Der Baum des Lebens“ ist eine nostalgische Coming-of-Age-Geschichte. Und „To the Wonder“ ist nun ein romantisches Melodram, dessen Hauptfiguren sich auf tragische Weise verlieben und wieder verlieren.

Wie in dem einzigartigen Epos „The Tree of Life“ widersetzt er sich auch bei „To the Wonder – Die Wege der Liebe“ üblichen Erzählkonventionen: In einem Bilderreigen von bezaubernder Schönheit inszeniert er die Geschichte als poetische Meditation über Liebe und Vergänglichkeit. Die Kamera führte auch diesmal der zweifache Oscar-Preisträger Emmanuel Lubezki. In den Hauptrollen beeindrucken das ehemalige Bond-Girl Olga Kurylenko sowie Superstar Ben Affleck und Oscar-Preisträger Javier Bardem.

(ARD Programmtext)

Es ist eine Frage des quasi-religiösen Prinzips und des besonderen ästhetischen Temperaments von Malick, wirklich überall Schönheit zu finden. Er spinnt seine visuelle Poesie hier nicht nur aus Landschaft, Prärie und Bachbetten, sondern auch aus einer weniger offensichtlich erhabenen Welt der trostlosen Vorstadt-Siedlungen, Betonparkplätze und Supermärkte. In keiner dieser Welten existiert etwas wirklich tristes, hässliches oder gewöhnliches.

„To the Wonder“ beschäftigt sich ebenso wenig mit einer standardisierten Psychologie heterosexueller Beziehungen wie mit der üblichen dramatisierten Handlung. Malick verzichtet weitgehend auf Dialoge und zieht es vor, Ideen und Emotionen durch Voice-over, Montage und Musik zu vermitteln. Seine Methoden dienen dem Thema, der Spannung, der unvollkommenen Übereinstimmung zwischen menschlicher Liebe und ihrem göttlichen Korrelat – soweit der Glaube daran existiert.

Malick nimmt Theologie wahrhaftig ernst und versucht ihr eine Form zu geben. Die Kamera, die von der Erde zum Himmel aufsteigt, zeichnet diesen Weg vom Sinnlichen zum Spirituellen. Männer und Frauen sind gesegnet und verflucht, beide Planeten gleichzeitig zu bewohnen. In „Der Baum des Lebens“ gelang es ihm – zur Verblüffung der einen und zum begeisterten Staunen der anderen (mich eingeschlossen) – die Details des individuellen Lebens mit echter Ehrfurcht auszustatten und selbst Skeptiker:innen einen Blick auf unsere Existenz aus seiner Perspektive der Ewigkeit zu ermöglichen.

Auch „To the Wonder“ strebt nach Transzendenz. Doch das in einer Kurzschrift, die manchmal eher oberflächlich als tiefgründig wirkt. Die sonnenüberfluteten Felder und die im Kreise tanzenden Darstellerinnen – in der Bildsprache ist das hier schon eher kommerziell als kosmisch, als wären sie einer Werbung für Parfüm, High-Fashion oder anderer Luxusgüter entnommen. Vielleicht bin ich inzwischen aber auch nur übersättigt von dieser Ästhetik?

Das ist sicher ganz Malicks Problem, doch seine Beharrlichkeit eine filmische Sprache zu finden, die Schönheit mit letzter Wahrheit verbindet, ist edel und aufrichtig. Ob sie darüber Verwirrung empfinden, oder Ehrfurcht, das liegt ganz bei ihnen. Keine der Alternativen wäre falsch.

Dafür, dass so ein Film existieren kann, müssen wir das Kino lieben!


Demut oder dämlich?

Mit nur sechs Filmen in knapp 40 Jahren gilt Terrence Malick als eines der unproduktivsten Genies des Kinos. Sein neuer Film „To The Wonder“ über eine zerbrechende Ehe spaltet jedoch unsere Kritiker: Ist Malick wirklich noch der Heilsbringer des Autorenkinos – oder nicht längst sein Problembär?

(Jörg Schöning / Andreas Borcholte – Spiegel-Online, 31.05.2013)



Drama, USA, 2013, FSK: 0, Regie & Drehbuch: Terrence Malick, Produktion: Glen Basner, Charley Beil, Musik: Hanan Townshend, Kamera: Emmanuel Lubezki, Schnitt: A.J. Edwards, Mit: Ben Affleck, Olga Kurylenko, Rachel McAdams, Javier Bardem, Romina Mondello, Bruce Peabody


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