Veit Helmer – Vom Lokführer, der die Liebe suchte (2018)

Kino ist erzähltes Leben. Die Geschichten unterscheiden sich. So wie die Art und Weise, sie zu erzählen. Am Ende liegt es an uns, dem Publikum, uns unseren „Reim“ darauf zu machen, was wir gesehen haben. Das nehmen wir mit. Bilder, Gesichter, Szenen, Details. Am Ende machen wir, wenn wir sie dazu für würdig halten, die Geschichte, die uns erzählt wurde, den Film, den wir gesehen haben, zu einem Teil unserer Erinnerung.

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Viele meiner nachhaltigsten Erinnerungen wurden geprägt in der Zeit, die ich als Student in den Programmkinos und Kneipen meiner Heimatstadt verbracht habe. Ich habe sprichwörtlich dort gewohnt. Jede Gelegenheit, einen Film zu sehen, war ein Geschenk. Jeder Film hat mich reicher gemacht. An Erinnerung.

Das ist vielleicht tatsächlich der Teil meines Lebens, den ich heute am meisten vermisse. An den ich tatsächlich sentimental zurückdenke, wenn es mal wieder ein Film schafft, mich daran zu erinnern, wie es gewesen ist, aus dem Kino heraus auf die Straße zu treten, um noch Stunden, Tage später an Fragmente des Filmes, Gesichter, Szenen, Details, Geschichten zu erinnern…

Selten, ganz selten lässt sich dieses Erlebnis an einem Fernsehbildschirm reproduzieren. Auch weil Kino ein kollektives Erlebnis in einem Bezugsrahmen außerhalb der Alltagsrealität ist und Fernsehen dagegen real, individuell, irgendwo, überall. Ich und meine Glotze, mein Computermonitor, mein Smartphone. Ich muss meine Welt dafür nicht verlassen.

Am Ende schafft es nur ein großer Film, diesen Unterschied für mich aufzulösen. Mir das Gefühl zu geben, auf meinem Fernsehsofa den Alltag für ein paar Stunden zu verlassen. Um statt dessen Erinnerungen zu schaffen.

Veit Helmer hat es vermocht, mir dieses Geschenk zu machen. Ich war noch nie in Aserbaidschan. Ich kenne niemanden von dort. Von Baku weiß ich nur aus den Nachrichten. Doch nach seinem Film fühlt es sich an, als sei ich dort gewesen. Ich erinnere mich.

Ich wünsche mir den Film als eine kleine Schatztruhe, mit vielen kleinen Kostbarkeiten, die einem beim Betrachten magisch entgegenfunkeln.

Veit Helmer

Ein Film, in dem kein einziges Wort fällt, der aber deshalb kein Stummfilm ist, sondern mit Geräuschen tatsächlich zu „berauschen“ vermag. Ein Film, der so klein ist, dass er über die wenigen Programmkinos und die Mitternachtseulen vor den TV Bildschirmen hinaus wohl kaum ein Publikum finden konnte, der aber so große, hinreißende Bilder fand, mit so faszinierenden Gesichtern und Figuren eine so wundervolle, zutiefst romantische Geschichte erzählt. Diesen Widerspruch auszuhalten, ist ein Teil des „Geschäfts“.

Und ein Schicksal der Kunst.



Spielfilm, Deutschland, Aserbaidschan (2018), Regie: Veit Helmer, Drehbuch: Leonie Geisinger, Veit Helmer, Produktion: Veit Helmer, Musik: Cyril Morin, Kamera: Felix Leiberg, Schnitt: Vincent Assmann, Redaktion: Christian Bauer (SR), Manfred Hattendorf (SWR), Ole Kampovski (NDR), Mit: Predrag Miki Manojlović, Denis Lavant, Chulpan Khamatova, Ismail Quluzade, Maia Morgenstern, Paz Vega


2 Antworten

  1. Avatar

    @mediathekperlen Wunderschöne Bilder & Schauspiel, nur irgendwann wird die story wirklich weird auf einer sexuellen ebene 😬

    1. Avatar

      @rhrwllnrtr @mediathekperlen Also ich meinte diesen Handlungsstrang der mit dem verlorengegangen BH beginnt.

      Als neue deutsche Produktion, hab ich das Gefühl, kippt der Film an der Stelle in so einen Orientalismus über.

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