Daniel Day-Lewis – „There Will Be Blood“ (2007)

4.5
(2)
Ein Film, so groß wie Amerika. Eine Leinwand für Allegorien. Eine Geschichte über zwei Männer, zwischen denen es keine Unterscheidung mehr nach „Gut“ und „Böse“ gibt. Kapitalismus gegen Fundamentalismus. Wer hier etwa Elon Musk und die MAGA Bewegung Trumps erkennen will, hat mein Verständnis.

Hier wurde ein Video von Youtube, einer Plattform von Alphabet (Google) eingebunden. Der Inhalt wird nur geladen, wenn Sie zuvor einer Übertragung Ihrer persönlichen Daten (ua. ihrer IP-Adresse) an die Plattform zustimmen.

Klicken Sie auf dieses Cover, um den Inhalt anzuzeigen.

Erfahren Sie mehr in der Datenschutzerklärung von YouTube.

Filmtrailer 2007, Englisch / Rotten Tomatoes Classic Trailers / YouTube

Solang es diesen Blog gibt, läuft dieser Film zuverlässig immer wieder auf den ARD-Sendern oder ARTE. Und ebenso lang, winde ich mich, ob ich dieses Monster besprechen soll, oder ob ich es besser lasse, weil ich ihm eigentlich nicht gewachsen bin. Weil mir dieser Film einfach zu groß ist.

Nun leben wir aber in Zeiten, in denen auch unsere Zukunft geschrieben wird. Denn wenn heute die Wahl vom letzten November zertifiziert wird, dann steht auch formalrechtlich nichts mehr dem Wiedereinzug Donald Trumps in das Weiße Haus in Washington im Wege.

Trump, der zugleich als Agent des Kapitals und der fundamentalistischen Kirchen der USA funktioniert, ist ganz sicher kein Prediger. Dazu fehlt ihm nicht nur jedes Talent, sondern wahrscheinlich auch jegliche persönliche Motivation. Er muss es auch nicht werden, solang die Prediger:innen seine Worte verkünden.

Das Ökosystem an Kirchen, Medien und Demagog:innen, welches der zukünftige Präsident und seine Mitstreiter:innen errichtet haben, repräsentiert eine Macht, der sich auch die reichsten Menschen (fast alles Männer) der Welt nicht entziehen können. Das Geld wiederum, das automatisch Macht bedeutet, sucht sich immer den Weg, auf welchem die Verheißung es zu vermehren am größten und die politische Wirkung des Einsatzes am wahrscheinlichsten ist.

Diesen ungetrübten Blick auf die Realität hatten der Protagonist und sein Gegenspieler in diesem Film allerdings noch nicht, sonst hätten sie anders gehandelt.

„Wir sehen einem Mann dabei zu, wie er immer reicher und mächtiger, und wie er zugleich immer einsamer, böser und verrückter wird. Der Alkohol ist da nur ein Beschleuniger. Der Unfall, bei dem sein Sohn das Gehör verliert, die Begegnung mit einem Mann, der vielleicht sein verschollener Bruder ist, die Fehde mit den Vertretern der konkurrierenden Öl-Firmen, die mehr von Geld als von oil men geleitet werden, der erste Mord – Stationen auf dem Weg nach oben und nach unten zugleich. Zu Daniel Plainviews größtem Widersacher aber wird der, der kein oil man und kein family man hat werden können, der Prediger, der genauso gespalten ist wie Daniel; er ist von der Gier zerfressen, und vom Hass auf seine Herkunft von den Unwissenden, Trägen und Bigotten, und zugleich macht er sich ihre Unwissenheit, Trägheit und Bigotterie zur Waffe.“

Georg Seeßlen, Strandgut.de, 2008

Auch wenn Paul Thomas Anderson (Magnolia, 1999) beharrlich abgestritten hat, mit „There Will Be Blood“ (2007) eine Parabel auf die US-Amerikanische Politk geschaffen zu haben, nehme ich ihm das nicht ab. Es ist aber eigentlich auch nicht relevant. Denn das Publikum entscheidet selbst, wie es eine Geschichte verstehen will.

„Ich bin nicht doof, ich weiß, wie es um die Welt steht. Aber als wir uns an diesen Stoff herangetastet haben, versuchten wir, ihn auf seinem elementarsten Level zu verstehen: als Kampf zwischen dem Ölmann und dem Priester, diesen beiden Männern, diesen Jungen. Es wird sehr gefährlich, wenn man mit Parabeln und Metaphern anfängt. Selbst die beiden großen Themen, für die die beiden Männer stehen, Öl und Religion, verschwanden aus dem Bewusstsein. Es ging uns um menschliche Grundinstinkte: Sie können sich nicht ausstehen. Das ist es, was zählt.“

Paul Thomas Anderson, Interview, Süddeutsche Zeitung, 17.05.2010

Vielleicht war Andersons Widerstand, sich auf eine politische Deutung festlegen zu lassen, auch nur einer weisen Voraussicht und der Befürchtung geschuldet, dadurch auf ein politisches Profil festgelegt zu werden. Etwas, das für einen Filmemacher im Zweifel dann auch den finanziellen Spielraum für das nächste Projekt beeinträchtigen kann, oder ganz grundlegend, die Bereitschaft eines Teils seines Publikums kosten würde, sich seinen Film überhaupt anzusehen.

Von den ersten Bildern, bis zur letzten Einstellung ist klar, dieser Film wurde nicht dafür gemacht, vom Publikum geliebt zu werden, sondern von der Kritik. Er ist groß. Eigentlich viel zu groß, um heute im Fernsehen gezeigt zu werden. Und sein Star, Daniel Day-Lewis, war 2007 sozusagen schon auf der Shortlist für den Oscar, bevor überhaupt ein Mensch den Film gesehen hatte. Dieser Ruf ging diesem Charakter-Über-Darsteller damals schon mindestens seit eineinhalb Jahrzehnten voraus.

„Gier, Glaube, Kirche und Kapitalismus, Gewalt und Streben nach größtmöglicher Unabhängigkeit und Freiheit, egal, ob nun persönlich oder marktwirtschaftlich – das sind die Themen, die hier vor bildmächtiger Kulisse verhandelt werden. Und damit hat man die noch heute vorherrschenden Grundmotive der amerikanischen Gesellschaft grandios, zuweilen vielleicht ein bisschen zu elegisch auf den Punkt gebracht. Man könnte „There Will Be Blood“ eine Meditation über Amerikas pech-, nein: ölschwarze Seele nennen.“

Andreas Borcholte, Spiegel-Online, 08.02.2008

Ich kann diesen Film nicht wirklich lieben. Als ich ihn das erste Mal sah, habe ich das mit gewissem Widerwillen getan. Denn weil einfach alles in diesem Werk bewundert werden soll, wollte ich mich nicht darauf einlassen. Je mehr Oscars (nominiert für 8, gewonnen nur 2) ein Film einsammelt, desto mehr fällt der Mainstream über ihn her.

Doch heute, im Abstand von fast zwei Jahrzehnten, kann ich nicht anders, als Day-Lewis (bester Hauptdarsteller) zu bewundern, und Robert Elswit (beste Kamera) zu preisen, für das, was sie in diesem großen Film geleistet haben. Meine einzige Klage bleibt, die viel zu kleine Rolle für den irischen Charaktergiganten Ciarán Hinds.

„Große amerikanische Filme bilden sich nicht ein, das Land, die Menschen, die Zeit verstanden zu haben, sie sind ihnen nur sehr nahe. Und sie geben den Dingen ihre Dauer, schauen einen Berg, eine Maschine oder ein Gesicht genau so lange an, wie sie es verdienen. Aber auf der zweiten Ebene ist ein Film wie »There Will Be Blood« auch voller Verweise und Anspielungen, voller Schatten und Visionen: Hinter den Bildern unendlich viele Bilder und hinter den Worten unendlich viel Worte. Man kann das alles mit Marx, mit Freud, mit der Bibel, mit der Filmgeschichte, mit dem eigenen Leben oder auch mit nichts als großer Neugier und Offenheit ansehen. Alle Masken sind auch Spiegel, alle Widersacher zugleich Doppelgänger, alle Gewalt auch Selbstzerstörung, alles Gewöhnliche zugleich metaphysisch.“

Georg Seeßlen, Strandgut.de, 2008



Drama, USA, 2007, FSK: ab 12, Regie: Paul Thomas Anderson, Drehbuch: Paul Thomas Anderson, Produktion: Paul Thomas Anderson, Daniel Lupi, Joanne Sellar, Musik: Jonny Greenwood, Kamera: Robert Elswit, Schnitt: Dylan Tichenor, Mit: Daniel Day-Lewis, Paul Dano, Kevin J. O’Connor, Ciarán Hinds, Dillon Freasier, Russell Harvard,


Ihre Bewertung:

Wie bewerten Sie diesen Film / diese Serie?

Dieser Film / diese Serie wurde 2x im Durchschnitt mit 4.5 bewertet.

Bisher keine Bewertungen.


Schreiben Sie einen Kommentar

Sie können diesen Beitrag auch über das Fediverse (zum Beispiel mit einem Konto auf einem Mastodon-Server) kommentieren.