Ob Sie diesen Gewaltporno jetzt als Kultfilm feiern oder als fragwürdigen Kino-Exzess ablehnen, liegt ganz bei Ihnen. Regisseur Fincher war nie einer, der es uns im Kinosessel gemütlich machen wollte. Seit den 90ern ist er vielleicht etwas weniger kontrovers unterwegs. Als Chronik der Befindlichkeit der USA sind seine Filme bis heute relevant.
Ganz ehrlich: Ich habe „Fight Club“ (1999) ziemlich gehasst, als er zum Ende des letzten Jahrtausends quasi den Untergang der (westlichen) Welt vorweggenommen hat. Sicher musste ich ihn zwei oder dreimal sehen, bevor ich ihn schätzen konnte. In Schutz nehmen, vor der Kritik, will ich ihn aber nicht.
Das Problem ist ja, dass die falschen Leute die falschen Dinge mitnehmen, wenn ein Film so auf der Leinwand einschlägt, wie dieses große Männlichkeits-Selbstfindungs-Spektakel im letzten Sommer meiner Jugend (ich war ja tatsächlich schon 34 – da gab es längst keine Entschuldigungen mehr – und damit vollkommen selbst verantwortlich für mein Leben).
Der Beginn des Films und sein Ende, mehr ist eigentlich gar nicht wichtig. Vom IKEA Katalog, bis zum Untergang der Welt (die wir kennen), ist es dann nur noch ein einziger Schritt. Mich hat das persönlich betroffen. Habe ich doch selbst zwei Jahre meines Lebens im Essener Möbelhaus der schwedischen Wohnkulturimperialisten gearbeitet. Und damit bin ich selbst wenigstens mitverantwortlich, für die kommerzielle Standardisierung unserer individuellen Lebenswelt. („Home is the most important place in the world!“)
Mit dem Kunstgriff haben Autor Chuck Palahniuk und Regisseur Fincher mal gleich all die Kund:innen der schwedischen Kette adressiert. Auch Starbucks, IBM, Microsoft, Wallmart und whatnot… alles klar? Der Film ist über mich und über Sie! Denn unsere Wahl, die Art und Weise unsere Persönlichkeit über unseren Konsum zu definieren und unsere Hörigkeit – auch und gerade wenn wir unser Einkommen genau davon bestreiten – unter dem Kapitalismus, das ist das Thema hier.
Dass Palahniuk quasi die Biografien von Theodore Kaczynski, des UNA Bombers, mit denen von Timothy McVeigh, Terry Nichols und Michael Fortier verknüpft und daraus die Figur des Tyler Durden kondensiert, war ja nicht nur eine hochaktuelle Reaktion auf die Zeit zu welcher sein Roman entstanden ist, sondern, das wird im Rückblick auf den Eingangs/Ausgangsmonolog des Erzählers heute natürlich nochmal viel drastischer deutlich: die Vorwegnahme des 11. September und „Ground Zero“ in New York City.
Männer, die aufgrund individueller Prägungen und auch psychischer Deformationen sich wiederholt gegenseitig so lange und so hart auf die Fresse schlagen, bis dass fast einer stirbt, nur um ihren Körper zu spüren und darin, ihr Leben zu vergessen, ihre Identität finden, das sind hier nur die spektakulär in Szene gesetzten (sie müssen sowas wirklich nicht mögen!) Instrumente (sic!) zur Auslösung der Apokalypse.
Chaos trifft auf formbare Materie und die grimmigste Satire seit „Clockwork Orange“ hebt ab. Dreck, Verfall und Gewalt sind allgegenwärtig. Anstand und Moral verwesen vor den Augen der Zuschauer, und die Soundterroristen „Dust Brothers“ wummern dazu.(…)
(…) der Wahnsinn hat perfide Methode und Kontroversen sind vorprogrammiert: Dem gewaltigen Bildersturm wurden auf dem Filmfestival von Venedig gar faschistoide Tendenzen nachgesagt. Eine ebenso verständliche, wie unsinnige Unterstellung. Natürlich trägt Durdens Terrorgruppe ganz klar faschistische Züge – eine namenlose, gewaltbereite und gehorsame Masse. Natürlich ist die anarchistische Farce zutiefst zynisch und menschenverachtend – aber nur, weil die Gesellschaft, die sie karikiert, es ist.
Der Film, inzwischen über 25 Jahre alt, ist natürlich deutlich gealtert. Ich frage mich tatsächlich, ob der „Fight Club“, die Metapher, nicht der inszenierte Terror, inzwischen nicht mehrfach zur Realität geworden ist. Denn wenn sich überall auf der Welt, vor allem von Männern dominierte unterschiedliche Gruppen, auch Parteien und Staaten, zu einem „Kult“ formen, deren gemeinsames finales Ziel die Zerstörung der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert auf Trümmern und nach Millionen Toten errichteten Gesellschaften und ihrer politischen Ordnung ist, dann gibt es dafür in Finchers Film vielleicht eine einfache gemeinsame Erklärung:
Deformierte Männlichkeit…
Dieser Beitrag erschien zuerst am 16.03.2025. Permalink: https://nexxtpress.de/b/bEh
Psychothriller, USA, 1999, FSK: ab 18, Regie: David Fincher, Drehbuch: Jim Uhls, Produktion: Ross Grayson Bell, Art Linson, Ceán Chaffin, Musik: The Dust Brothers, Kamera: Jeff Cronenweth, Schnitt: James Haygood, Mit: Edward Norton, Brad Pitt, Helena Bonham Carter, Meat Loaf, Zach Grenier, Jared Leto, David Andrews, Bob Stephenson, Holt McCallany, Eion Bailey, Matt Winston, Fediverse: @ZDF, @filmeundserien@a.gup.pe
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