Wenn Sie Lust auf einen Ausflug in die Welt von Stephen King haben dann ist „Secret Window“ von David Koepp (2004) die investierte Lebenszeit wahrscheinlich wert. Basierend auf einer von Kings Kurzgeschichten ist dieser Thriller ein atmosphärisches Kammerspiel, mit Johnny Depp in ziemlich guter Form als schusseliger Schriftsteller und Kings Alter-Ego. Allerdings ist nicht Depp, sondern John Turturro für mich das eigentliche Highlight des Films.
David Koepps „Secret Window“ (2004) ist einer dieser Filme, die ich gut mal an einem verregneten Sonntagnachmittag wegschauen kann, ohne gleich in cineastische End-Verzückung zu geraten. Basierend auf einer Kurzgeschichte von Stephen King dreht sich hier alles um einen Schriftsteller mit Schreibblockade und kaputter Ehe, der sich in seine einsame Hütte am See zurückzieht, um ein bisschen Frieden zu finden und sein Buch zu vollenden. Dass solcher „Frieden“ bei King zwangsläufig im Horror endet, wissen wir. Doch sein Protagonist weiß es nicht. Das ist schon der ganze Trick.
Kaum hat dieser Mort Rainey es sich auf seinem zerfransten Sofa bequem gemacht, taucht auch schon der mysteriöse John Shooter auf – ein Fremder mit Pilgerhut und unergründlichem Blick, der geradeaus behauptet, Mort habe seine Geschichte geklaut.
Johnny Depp gibt den schusseligen, ausgebrannten und zynischen Schriftsteller mit einer Mischung aus lethargischem Granteln und zartem Wahnsinnsflackern. Er spielt Mort mit seinem patentierten und permanenten „Mir doch egal“-Gesichtsausdruck, der erstaunlich gut zu dieser Atmosphäre passt. Das Haus ist alt, zugig, es knackt und knarrt an jeder Ecke. Die Welt außerhalb dieser Hütte scheint weit weg, alles dreht sich nur um ihn, seine Selbstzweifel und diesen ungebetenen Gast.
Natürlich erinnert der Film sehr an „Stark – The Dark Half“ (1993), eine andere King-Verfilmung von George A. Romero, in der Timothy Hutton den Autor spielt. Beide Filme kreisen um das Motiv des Schriftstellers, der von seinen eigenen Figuren – oder eben von den dunklen Seiten seines Geistes – verfolgt wird. Dieses „alter-ego“-Motiv, am erfolgreichsten wohl in „Misery“ (1990), ist typisch für King. Er selbst hat immer wieder gesagt, dass seine Figuren oft Zerrspiegel seiner eigenen Ängste und Fantasien waren. In „Secret Window“ ist dieser Kampf zwischen Realität und Wahnsinn schön auf den Punkt gebracht. Dass Hutton auch hier dabei ist, können wir wohl als durchaus respektvolle Hommage an den früheren Film verstehen.
Obwohl „Secret Window“ natürlich eine einzige Johnny-Depp-Show ist, muss ich gestehen: Eigentlich bin ich nur wegen John Turturro dran geblieben. Der ist hier einmal mehr eine Wucht. Er spielt seinen Shooter mit einer konstanten Bedrohlichkeit, die weder überdreht noch plump ist. Immer ruhig, immer kontrolliert, subtil, aber mit einem Blick, bei dem wir sofort wissen, dass es kein gutes Ende nehmen wird. Turturro verleiht dem ganzen Film eine Schwere, die perfekt zu der regnerischen, grauen Welt passt, in der Mort sich verkrochen hat. Sein Auftreten hat was geradezu Anti-Magnetisches – als könnte er die ganze Szenerie mit nur einem einzigen Satz jederzeit auseinander reißen.
Regisseur David Koepp baut diese Spannung recht behutsam auf. Er verlässt sich nicht auf Schockmomente, sondern auf eine unterschwellige Unruhe, die sich immer weiter in die Geschichte hineingräbt. Immer wieder gibt es kleine Andeutungen, dass hier etwas nicht stimmt, dass dieser Shooter viel mehr ist als nur ein Plagiatsjäger. Koepp setzt dabei auf klassische Horrorfilm-Mechanik: knarzende Treppen, Wind, der durchs Gebälk heult, und ein geheimnisvolles Fenster auf dem Dachboden, das nicht nur für Mort, sondern wohl auch für alle Zuschauer:innen irgendwann zur Obsession wird.
Trotzdem ist „Secret Window“ wirklich kein Meilenstein des Genres. Die Auflösung – ohne hier zu viel zu verraten – ist für jede:n, der/die schon mal einen King-Roman in der Hand hatte oder sich mit dem Thema „psychologische Horrorplots“ beschäftigt hat, relativ schnell abzusehen. Auch das Motiv des verrückten Schriftstellers, der nicht mehr zwischen Fiktion und Realität unterscheiden kann, ist – siehe oben – nicht neu. Doch was dem Film an Originalität fehlt, macht er mit einer dichten Atmosphäre und richtig guten Darstellern wieder wett.
Johnny Depp zeigt hier, was wir vielleicht schon wieder vergessen haben: Dass er auch jenseits von Piratenschiffen und Fantasy-Overkill in die Rolle eines unsicheren, leicht verwahrlosten Mannes schlüpfen konnte, der sich selbst nicht mehr traut. Seine Performance ist nicht spektakulär, aber grundsympathisch. Er spielt Mort als einen Typen, der irgendwie immer schon am Rand des Wahnsinns stand, aber nie so recht wusste, ob er endlich fallen oder doch weiter balancieren soll.
John Turturro dagegen ist für mich das eigentliche Herzstück des Films. Wenn er mit stoischer Ruhe an Mort’s Tür klopft, dann wird klar: Hier ist jemand, der keine Ruhe geben wird, bis er bekommt, was er will. Turturro spielt Shooter nicht nur als Bedrohung, sondern als Spiegelbild von Mort – zwei Männer, die sich gegenseitig bedingen und brauchen, um ihre Abgründe zu erkennen. Das ist die Kurzform der ganzen Geschichte.
Musikalisch wird das Ganze untermalt von Philip Glass, dessen minimalistischer Score wunderbar zu diesem Kammerspiel passt. Kein Bombast, keine großen Melodien, eher zurückhaltende, fast schwebende Töne, die die unheilvolle Stimmung noch verstärken. Visuell bleibt der Film eher schlicht – viel Grau, viel Holz, viel Nebel – aber genau das macht „Secret Window“ so angenehm unaufgeregt. Wir können spüren, dass es hier nicht um Effekte geht, sondern um das leise Grauen, das sich langsam in unsere Köpfe schleicht.
Am Ende bleibt „Secret Window“ nicht mehr als ein ziemlich solider, wenn auch nicht bahnbrechender Thriller. Für Fans von King-Verfilmungen ist er ein nettes Häppchen – nicht ganz so düster wie „Shining“ (1980), nicht ganz so bissig wie „Misery“ (1990), aber mit einem ganz eigenen Charme.
Es gibt Filme, die bleiben lange im Gedächtnis, weil sie etwas Neues erzählen. Und es gibt Filme, die bleiben im Gedächtnis, weil sie etwas Altbekanntes einfach noch einmal erzählen. „Secret Window“ gehört für mich in die zweite Kategorie. Aber das macht ihn nicht weniger unterhaltsam. Wenn Sie sich darauf einlassen, bekommen Sie ein kleines, bescheidenes, düsteres Mystery-Horror-Kammerspiel, das vor allem durch seine Darsteller funktioniert und überzeugt.
Und wenn ich ehrlich bin, schaue ich mir das Ganze auch vor allem deshalb immer wieder gerne an, weil ich sehen will, wie John Turturro in seinem Hut da steht und immer wieder diesen einen Satz wiederholt: „You stole my story.“
„The only thing that matters is the ending.“
Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht am 12.06.2025.
Hinweis: Auch wenn ein Film nach einer Geschichte von Stephen King eigentlich keine Inhaltswarnung braucht, weil der Autor selbst Warnung genug ist, hier dennoch der Hinweis auf Stellen mit Gewalt gegen Frauen, kaltblütigem Mord und Bildern, die sensible Personen erheblich verstören können. (FSK: 16)
Psycho-Mystery-Horror-Thriller, USA, 2004, FSK: ab 16, Regie: David Koepp, Drehbuch: David Koepp, Produktion: Gavin Polone, Musik: Philip Glass, Geoff Zanelli, Kamera: Fred Murphy, Schnitt: Jill Savitt, Mit: Johnny Depp, John Turturro, Maria Bello, Charles S. Dutton, Timothy Hutton, Len Cariou, Fediverse: @filmeundserien, @ZDF
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