„Nimm das, Marvel!“, war meine spontane Reaktion auf diese grandiose Rückeroberung der Nordischen Mythologie durch den Norweger André Øvredal. Wäre ja auch schlimm, wenn alles was davon noch an folgende Generationen zu überliefern übrig wäre, vom kulturimperialistischen Micky-Maus-Konzern und seinen „Avengers“ kontrolliert würde. „Thor“ ist nicht nur ein Kind der Götter, sondern auch ein freier Mann!
Wenn sie Øvredal schon kennen, dann wahrscheinlich von seinem Fantasy-Thriller „Trollhunter“ (2010), der ihn, noch sehr durch das amerikanische „Blair Witch Project“ (1999) inspiriert, als einen Filmemacher ausgewiesen hat, der sich traut, seinen eigenen kulturellen Hintergrund gegen die amerikanische Hegemonie des Genres zu stellen. Die Kritik hat ihn dafür (noch) nicht geliebt, doch dank der Fans des „Nordic-Noir“ und europäischer Horrorfilme hat der Film über die Jahre eine treue Gemeinde um sich gescharrt.
Mit „The Autopsy of Jane Doe“ (2016) und „Scary Stories to Tell in the Dark“ kam dann amerikanisches Geld ins Spiel, beide Filme waren – im besten Sinne „unabhängige“ – Hollywoodproduktionen und haben so viel Geld verdient, da wäre ein Engagement des Norwegers in der Popcornfabrik des Disney-Konzerns eigentlich der naheliegende nächste Karriereschritt für ihn gewesen.
Doch das, was wir jetzt als Free-TV-Premiere(?) beim ZDF sehen können, ist wieder in der Heimat des Regisseurs entstanden. Und das erwies sich als goldrichtige Entscheidung, denn Thor ist ein nordischer Gott und keine amerikanische Comicfigur. Doch, einmal abgesehen von der Herkunft der Hauptfigur, ist Norwegen wahrhaftig wohl eine der spektakulärsten Kulissen, die sich für einen europäischen Film finden lässt. Und davon sehen wir eine Menge atemberaubender Bilder mit denen sich auch jeder ambitionierte Naturfilm würde schmücken können.
Die Besonderheit dieses „Fantasy-Thrillers“ ist aber, gerade auch im Vergleich zu den Varianten aus Hollywood, wie viel Zeit er sich nimmt. Wie ernst er es meint, mit seinen Charakteren und ihrer Geschichte, insbesondere auch ihrer sozialen Realität, und wie sparsam er Spezialeffekte einsetzt, die dann aber um so größere Wirkung entfalten.
Ich bin mir bewusst, dass „Mortal“ kaum eine Chance hat, sich als genuin europäisches Kino gegen unsere durch Hollywoods Superheld:innen konditionierten Sehgewohnheiten durchzusetzen. Es ist eine Herausforderung. Nehmen sie diese aber an, dann finden sie vielleicht auch, dass die Geschichte dieses Gottes noch nicht zu Ende erzählt ist. Der Film bettelt geradezu um eine Fortsetzung.
Tusen takk!
Fantasy-Thriller, Norwegen, 2020, FSK: ab 16, Regie: André Øvredal, Drehbuch: Geoff Bussetil, Norman Lesperance, André Øvredal, Produktion: John Einar Hagen, Rory Aitken, Brian Kavanaugh-Jones, Ben Pugh, Musik: Marcus Paus, Kamera: Roman Osin, Schnitt: Patrick Larsgaard, Mit: Nat Wolff, Priyanka Bose, Iben Akerlie, Arthur Hakalahti, Ania Nova, Per Frisch
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