Jean Reno – 22 Bullets (2010)

„L’Immortel“ – „Der Unsterbliche“ – so lautet der französische Originaltitel dieser großen Mafia-Oper mit Jean Reno. Ich habe den Film heute zum ersten Mal gesehen. Und jetzt muss ich mich erst einmal sammeln. Denn er überwältigt. Er ist so traditionell, wie modern. Schnelles, moralisches und äußerst brutales Action-Kino aus Frankreich.

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Jean Reno ist ein Prototyp in der Rolle des schweigsamen Rächers. Dieses Image hat er so sehr kultiviert und inzwischen auch das reife Alter, dass er fast einen natürlichen Anspruch auf die Rolle des ausgestiegenen Mafia-Paten hat, der auch hier von seiner Vergangenheit eingeholt wird. Ein durch und durch klassisches Motiv des Genres.

Und, ja, dieses Genre ist nicht immer zwangsläufig Fiktion, sondern basiert häufig, so wie auch hier, auf erlebter und erzählter Geschichte. Da stellt sich eben auch immer die Frage, inwieweit die Wirklichkeit das Kino imitiert. Wo wird ein Film zum Denkmal moralisch äußerst fragwürdiger, aber eben sehr realer Gestalten – mit ebenso realen Opfern?

Moral ist niemals originell. Sie ist anstrengend.

Charly Matteï

Dass ausgerechnet Luc Besson einer der Produzenten dieses Action-Reißers war, überrascht ganz und gar nicht. Schließlich war er es, der dem französischen Kino in dieser Disziplin fast ganz allein wieder zur Weltgeltung verholfen hat. Die Handschrift erkennen sie wieder, selbst wenn sie außer „The Transporter“ (2002) mit Jason Statham und all den Fortsetzungen oder der mehr in die Comedy zielenden „Taxi“ (1998) Filme kennen. Ich werde ihn allein schon für sein wunderbar poetisches Debüt „Subway“ (1985) niemals vergessen. Und, ja, dort habe ich auch Jean Reno das erste Mal auf der Leinwand gesehen. Als den unvorstellbar coolsten Drummer der Kinogeschichte.

Eine gewisse „Poesie“ geht auch diesem Film nicht ab. Schon allein das mediterrane Südfrankreich rund um den Moloch Marseille sorgt für eine Stimmung, welche die Geschichte fest mit dem Ort verknüpft. Der ausgiebige Einsatz italienischer Opernarien im Soundtrack tut dazu das seine. Denn weniger als eine Oper will auch dieser Film nicht sein.

Was für eine schnöde Moral mancher Kritiker, wenn sie hier trotzdem nach der Moral des Films fragen. Den natürlich wird hier, wenn man so will, ein Verbrecher stilisiert, dessen Vergangenheit und gegenwärtige Taten durch die moralische Fragwürdigkeit seiner Gegner nivelliert werden. Ja und? Kunst ist keine Gerichtsverhandlung und das Verlangen nach Gerechtigkeit immer archaisch.

Rüdiger Suchsland, Telepolis, 03.12.2010

Ob sie nun „Gerechtigkeit“, oder besser „Rache“ auch einer gewissen Poesie zuordnen wollen, liegt vermutlich zuvorderst an ihrem ganz eigenen moralischen Kompass. Hier geht es um nichts anderes, als Revanche und das Überleben. Das Ganze ist wahrhaftig höchst modern in Szene gesetzt. Tatsächlich ist es einer der am schnellsten geschnittenen Filme, die ich ihn den letzten Jahren gesehen habe. Und das sind hier einmal nicht am Computer generierte Bilder, sondern modernem Handwerk und ausgefeilter Handkamera zu verdanken.

Doch was wir zu sehen bekommen, das müssen Sie ertragen wollen, um Freude daran zu haben – am Film, nicht an der Gewalt. Denn an Brutalität spart der Film an keiner Stelle. Und das so ausgeprägt, dass der Bayerische-Rundfunk gleich eine FSK16 Version neben das FSK18 Original in die Mediathek gestellt hat. Die „ab 16“ Version ist um etwa 3 Minuten kürzer. Auf die Laufzeit des Films ist das nicht viel. Für ihre Rezeption kann es aber einen Unterschied machen.

Regisseur und Autor Richard Berry hat hier in jedem Fall einen „großen Film“ gemacht. Einen Film, den ich nicht vergessen werde. Einen Film, den wir im deutschen Fernsehen selten zu sehen bekommen. Einen Film, den Sie nur sehen sollten, wenn Sie mit den beschriebenen „Bedingungen“ einverstanden sind.

Dann lohnt es sich – unter Umständen – sehr.



Thriller, Frankreich, 2010, FSK: ab 16/18, Regie: Richard Berry, Drehbuch: Richard Berry, Alexandre de la Patellière, Mathieu Delaporte, Éric Assous, Produktion: Luc Besson, Pierre-Ange Le Pogam, Musik: Klaus Badelt, Kamera: Thomas Hardmeier, Schnitt: Camille Delamarre, Mit: Jean Reno, Kad Merad, Gabriella Wright, Richard Berry, Marina Foïs, Jean-Pierre Darroussin, Fani Kolarova, Catherine Samie, Max Baissette de Malglaive, Claude Gensac, Venantino Venantini, Grégory Gatignol, Joséphine Berry, Moussa Maaskri


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