Auch das hier ist ein besonderes Stück. Nicht weil es noch eine ziemlich brutale globale Schießerei und Schlägerei, ein vierstündiger französischer Polit-Terror-Actionreißer in zwei Teilen ist, sondern weil so etwas in der ARD Mediathek eigentlich noch seltener ist, als ein gegenderter Witz von Dieter Nuhr. Lautes, schnelles, schmutziges Kino!
Und, ja, auch das ist, für mich, öffentlich-rechtlicher Programmauftrag – um welchen sich hier, schon wieder, der Bayerische Rundfunk besonders verdient macht.
Der einst fantastische Gérard Depardieu ist inzwischen, ganz so wie wir ihn auch in diesem Film sehen, zu einem Nebendarsteller seiner selbst degeneriert – und dafür selbst wohl am meisten verantwortlich. Das wird um so deutlicher, wenn man ihm die ungefilterte Energie von Vincent Cassel gegenüberstellt. Bang! Großartig!
Auch wenn es zu seiner Zeit wahrscheinlich ganz und gar nicht im Interesse von Jean-François Richet gelegen haben mag, ist dieser Film für mich damit auch eine Staffelübergabe von Depardieu an Cassel als größter/bester französischer Schauspieler der Gegenwart. Der jüngere schont sich dabei wahrhaftig nicht, schert sich nicht um sein Image und gibt der Figur des Jacques Mesrine damit eine Energie und Wahrhaftigkeit, die es tatsächlich ziemlich unmöglich macht, die Figur noch einmal zu vergessen. Selbst wenn sie zu jung sind, um sich an den realen Mesrine zu erinnern.
Ein Filmemacher wie Richet muss sich natürlich dafür der moralischen Frage und auch dem Vorwurf stellen, einem realen „Gewaltverbrecher“ ein (möglicherweise) unkritisches filmisches Denkmal errichtetet zu haben. Ganz so wie der (Polizei-)Staat Frankreich – und hier wirkt der Film, im zweiten Teil, dann eben auch als überaus kritischer Kommentar – sich auch heute noch für seine „öffentliche Hinrichtung“ zu rechtfertigen hat. Und das ist eine Problemstellung für jeden Film, der wahre Geschichte(n) und Personen auf die Leinwand bringt – mindestens so lange, wie es noch Zeitzeug:innen und Angehörige von Opfern gibt, welche diese Personen möglicherweise gekannt und all diese Ereignisse selbst miterlebt haben.
Denn Filme formen unser kollektives Gedächtnis. So auch für mich. Mesrine war auch in Deutschland bekannt. Ich war zwar noch jung, doch mindestens seine Festnahme in aller Öffentlichkeit hat es bei uns sogar in die Tagesschau und auf die Titelseiten geschafft. Daran erinnere ich mich. – Hier weiterzuerzählen wäre allerdings ein Spoiler für jene, die sich an diese Vorgänge nicht erinnern können und die, welche den Film als das erleben wollen, was er auch ist: ein grandioses internationales Action-Film-Kunstwerk europäischer Herkunft.
Update 18.04.2024: Heute Nacht ging der zweite Teil „Todestrieb“ in der Mediathek online. Den Link dazu habe ich unten ergänzt.
Thriller, Frankreich, 2008, FSK: ab 16 (gekürzte TV-Fassung), Regie: Jean-François Richet, Drehbuch: Abdel Raouf Dafri, Jean-François Richet, Produktion: Thomas Langmann, Musik: Marco Beltrami, Marcus Trumpp, Kamera: Robert Gantz, Schnitt: Bill Pankow, Hervé Schneid Mit: Vincent Cassel, Cécile de France, Gérard Depardieu, Gilles Lellouche, Roy Dupuis, Elena Anaya, Florence Thomassin, Michel Duchaussoy, Myriam Boyer, Abdelhafid Metalsi, Gilbert Sicotte, Deano Clavet, Ludivine Sagnier, Jeanjacquot, Leïla Bekhti, Mathieu Amalric, Samuel Le Bihan, Gérard Lanvin, Olivier Gourmet, Georges Wilson, Anne Consigny, Laure Marsac, Alain Fromager
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