Eine der „merkwürdigsten“ Mini-Serien der letzten Jahre ist zurück bei ARTE. Wobei es sich bei diesem Dreiteiler genau handelt, das habe ich schon vor zwei Jahren nicht vollständig entschlüsseln können. Und das macht sie durchaus zu etwas ganz Besonderem.
Für einen Thriller ist dieser Film/die Serie eigentlich viel zu langsam. Sie windet sich, ganz wie das mysteriöse Seil im Wald durch drei Folgen à 45 Minuten. Stoff genug für einen Spielfilm eigentlich. Allerdings ermöglicht das Serienformat, die Zuschauer:innen durch Cliffhanger an die Handlung zu binden, die in einem Film möglicherweise zwischendurch einfach umgeschaltet hätten. Das haben Dominique Rocher und Eric Forestier schon clever gemacht.
Für Fans der gepflegten Mystery, ebenso wie für Absolvent:innen aller (amateur-) philosophischen Fakultäten des Lebens, des Universums und des ganzen Restes, ist es ein Stück Fernsehen, das sich lohnt.
Beantworten Sie nur diese Fragen: Wenn Sie im Wald über ein Seil stolpern, eins von der dicken, schweren Sorte, mit dem sonst Schiffe am Ufer vertäut werden, das da einfach so herumliegt und offensichtlich ganz und gar nicht hingehört, würden Sie wissen wollen, warum es dort liegt? Würden Sie wissen wollen, wer es dort hingelegt hat? Würden Sie ihm folgen wollen, um herauszufinden, wohin es führt?
Wenn Sie nur eine, besser noch, alle der Fragen mit „Ja“ beantwortet haben, dann wollen Sie auch diese Serie sehen. Alle anderen gehen besser zurück im Programm, schalten um und schauen etwas anderes.
Und wenn Sie dran bleiben, dann erwartet Sie eine relativ handlungsarme Geschichte. Was aber nicht bedeutet, dass in ihr etwa wenig passiert. Tatsächlich gibt sie uns Einblicke in die menschliche Natur, die wir wiedererkennen können, die ihr Publikum fesselt (sic!) und die, im Idealfall zur Selbstreflexion Anlass gibt.
„Das unerklärliche Seil verweist weniger auf Unbekannte, die es lockend ausgelegt haben, als auf den menschlichen Geist selbst, auf die Struktur des Denkens. Es zeigt sich eine eigentümliche Selbstverführung, wo Forscherdrang auf einen obsessiv werdenden Glauben trifft.“
Oliver Jungen, FAZ (€), 27.01.2022
Denn hier gibt es keinen Minotaurus, der tief in einem Labyrinth zu bezwingen wäre. Hier führt der Faden der Ariadne nur immer tiefer hinein in das Drama. Wir warten darauf, dass die Protagonist:innen erkennen mögen, dass sie nur die Richtung ändern müssen, um wieder herauszufinden. Doch stattdessen folgen sie dem Seil – um den Preis der letzten(?) Erkenntnis.
Beim ersten Sehen dieses Dreiteilers war ich zu Beginn fasziniert, doch dann wusste ich damit nichts Richtiges anzufangen. Erst beim zweiten Mal wurde mir klar, wie sehr es sich bei dieser Erzählung um ein – in ein Mystery-Horror-Paket verpacktes und noch dazu recht einfaches – Gleichnis handelt.
Denn wir Menschen sind tatsächlich wohl die einzige Spezies, die sogar bei besserem Wissen, nicht davon ablassen kann herauszufinden, warum das Leben ein Mysterium und immer tödlich ist – und wir selbst sind meistens der Grund dafür, wenn es vorzeitig endet. Nur die Art und Weise ist unbestimmt und vielfältig.
Die Erkenntnis an sich ist unvermeidlich.
Mini-Serie, Frankreich, Belgien, 2022, FSK: ab 16, Regie: Dominique Rocher, Drehbuch: Dominique Rocher, Eric Forestier, Autor: Stefan aus dem Siepen, Produktion: Carine Boyé, Pierre Garnier, Kamera: Jordane Chouzenoux, Schnitt: Isabelle Manquillet, Musik: Grégoire Hetzel, Mit: Suzanne Clément, Jean-Marc Barr, Christa Théret, Tom Mercier, Richard Sammel, Jakob Cedergren, Planitia Kenese, Gilles Vandeweerd, Jeanne Balibar
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