Ein Film, wie ein Traum. Ein Thriller. Ein Film im Film. Ein Rätsel. Ein Film über Los Angeles. Ein Film, bei dem ich seit mehr als 20 Jahren einfach nicht dahinter kommen will, jedes Mal, wenn ich ihn wieder sehe. Ein Manifest der Imagination. Ein ewiges Meisterwerk von David Lynch.
Vor ein paar Tagen, als das Schweizer Fernsehen diesen Film im Programm hatte, musste ich an die Santa-Ana-Winde denken. Heiße Winde aus der Wüste, die von den Bergen herab, über Los Angeles hinweg, dem Pazifik entgegenwehen. Die Assoziation war naheliegend, bei all den Bildern, die wir in den Nachrichten über den Wind und die Brände in LA (ARD Brennpunkt) gesehen haben.
Ich bin dort selbst einige Male herumgefahren. Ein Tourist im Mietwagen auf der Suche nach dem Mythos. Wie all die anderen vor mir. Gefunden habe ich nur Erinnerungen. Vergessen habe ich nichts.
Im Film werden die Winde nicht erwähnt. Vielleicht spielt dieser auch im Frühling oder Sommer. Wer kann das in dieser Stadt schon unterscheiden? Doch wenn der Föhn von den Bergen weht, dann macht das auch was mit den Menschen.
Ich stelle mir vor, David Lynch hätte „Mulholland Drive“ in einer dieser Nächte geträumt. Weil er aus Fragmenten besteht, die er nach seinem Traum zu einem Film gemacht hat, die wir, im Publikum, aber erst zu (einer) Geschichte(n) zusammensetzen müssen.
Sie sind also ein Opfer Ihrer Visionen, ein Spielball Ihrer Ideen, werden willenlos in deren Welt gesaugt?
Ja!
Sie kreieren etwas …
Ich kreiere gar nichts! Ehrlich. Keiner von uns tut das. Auch der Koch stellt ja den Fisch nicht selbst her. Er fängt ihn nur, dann präpariert er ihn. Eine visuelle Idee ist genau wie ein Fisch. Sie ist plötzlich da, obwohl sie vor ein paar Augenblicken noch nicht in Sicht war. Sie können nun sagen, ich hätte mir all das doch ausgedacht, meine Ideen aktiv imaginiert. Aber Imagination ist nichts anderes als das Fangen von Ideen. Man muss offen für sie sein, mehr kann man nicht tun.
David Lynch (Interview mit Stefan Grissemann), taz, 24.04.2007
Eigentlich sollten Sie den Film nicht auf dem TV-Bildschirm sehen, denn er gehört eindeutig ins Kino. In einem dunklen Saal, auf der großen Leinwand dringt er viel tiefer in unser Unterbewusstsein ein. Und das ist entscheidend. Denn er erschließt sich uns eigentlich erst, wenn auch wir einige Nächte davon geträumt haben.
Am besten lesen Sie auch nichts über den Film, sollten Sie zu denen gehören, die ihn noch nicht gesehen haben. Auch Filmkritiker:innen haben ihre sehr eigenen Träume. Und das waren nach diesem Film ganz sicher nicht bei allen die gleichen. Rüdiger Suchsland ist eine gute Referenz. Auch Lynchs Fan-Community hat „Mulholland Drive“ mehrfach zu entschlüsseln versucht. Selbst der Meister höchstselbst hat sich munter daran beteiligt und Spuren für uns gelegt.
Für mich ist das nichts. Kollektive Urteile sind für mich nicht relevant. Jedem:r seine und ihre eigene Wahrheit. Denn Kino ist, wenn es denn wirklich gut ist, ein zutiefst individuelles Erlebnis. Es verändert (mein) Leben und (meine) Träume, wie es nur Filme können (tazblog).
Los Angeles ist abgebrannt. Der Meister ist tot.
Lang lebe David Lynch!
Dieser Beitrag erschien zuerst am 22.01.2025.
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Thriller-Drama, USA, 2001, FSK: ab 16, Regie: David Lynch, Drehbuch: David Lynch, Produktion: Neal Edelstein, Tony Krantz, Michael Polaire, Alain Sarde, Mary Sweeney, Musik: Angelo Badalamenti, Kamera: Peter Deming, Schnitt: Mary Sweeney, Mit: Naomi Watts, Laura Harring, Justin Theroux, Ann Miller, Mark Pellegrino, Robert Forster, Brent Briscoe, Dan Hedaya, Angelo Badalamenti, Michael J. Anderson, Monty Montgomery, Marcus Graham, Lori Heuring, Billy Ray Cyrus, Melissa George, James Karen, Chad Everett, Rita Taggart, Michele Hicks, Rena Riffel, Patrick Fischler, Michael Cooke, Lee Grant, Jeanne Bates, Dan Birnbaum, Maya Bond, Richard Green, Rebekah Del Rio, Bonnie Aarons, Fediverse: @filmeundserien
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