Hände weg von Grönland! – „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“ (1997)

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Eigentlich könnte ich hier wieder einen meiner schlechten Scherze über die Sensibilität der ARD Programmplanung und die Jahreszeiten machen. An dieser Stelle wären diese aber wohl deplatziert. Denn angesichts des missratenen Ausflugs der amerikanischen Vizepräsidentenfamilie ist der Film geradezu hochaktuell. Mr. Vance hatte einen Auftrag. Aber sicher kein Gespür für Grönland.

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Geständnis: Mit dem „Fräulein Smilla“ hatte ich eine leidenschaftliche literarische Affäre. Ich kann mich zwar beim besten Willen nicht mehr daran erinnern, wo ich das Buch von Peter Høeg gelesen habe. Doch daran, wie ich es an einem Stück aufgesogen habe, erinnere ich mich, als wäre es erst gestern gewesen. Merkwürdig ist das schon, oder?

Wenn Sie mir den Literaturhinweis an dieser Stelle nicht übel nehmen, dann besuchen Sie noch heute den/die Buchhändler:in ihrer Wahl. Wenn diese nicht ausführlich über Høeg Auskunft geben können, und wenn nicht wenigstens drei oder vier seiner Werke vorrätig sind, dann suchen Sie sich eine:n andere:n Buchhändler:in.

Mit dem Film war es 1997 dann tatsächlich eine dieser Erfahrungen, wo der Film im Kopf mit der Leinwand konkurrieren musste. Denn die Bilder im Kopf waren stark. Die Gefühle für Smilla und Isaiah tief. Und der Geschmack von Schnee auf der Zunge… im Kino nicht möglich.

Dennoch sollten Sie den Film (wieder) sehen. Für eine deutsche Produktion (Bernd Eichinger) war er schon vor fast 30 Jahren bemerkenswert. Und wenn Sie das Buch nicht gelesen haben, dann bekommen Sie hier einen ziemlich soliden Thriller, mit sehr guten Darsteller:innen in spektakulärer Kulisse.

Ich war leider noch nie in Grönland. Ein guter Freund dagegen war dort sogar auf Tournee. Wobei ein:e Musiker:in sich dort auch einfach irgendwo in Nuuk an eine Straßenecke stellen könnte. Irgendwann kommt jede:r der nur rund 50 Tausend Einwohner:innen dieser riesigen Insel daran vorbei.

Während Grönland ein Traumziel bleibt, kenne ich Kopenhagen dagegen redlich gut. Gerade auch die Wohnviertel, in die sich nur selten ein:e Tourist:in verläuft. Und gerade diese Verhältnisse, am Rande der Prekarität, hat der Film gut getroffen.

Dass er sich, rückblickend, dem Vorwurf der kulturellen Aneignung aussetzen musste, ist nachvollziehbar. Julia Ormond ist beim besten Willen keine Tochter einer Inuit, nicht mal einer Kalaallit, doch sie spielt die Smilla mit Würde und einer ihr ganz eigenen zurückhaltenden Kontrolle. Gegen Ende der Neunziger war sie sicherlich eine der besten möglichen Darstellerinnen im internationalen Kino.

Das Beste an Gabriel Byrne war allerdings die Synchronstimme des unvergessenen Rolf Zacher, wenn Sie aber stattdessen lieber das Original hören wollen, dann greifen Sie eben dazu. Bei den deutschen Beteiligten, Mario Adorf und Jürgen Vogel können Sie da auch gleich verifizieren, dass diese sich fürwahr redlich bemüht und gut geschlagen haben.

Es ist für mich tatsächlich ein nostalgischer Ausflug in das Kino des letzten Jahrhunderts. Und weil mich so viele Erinnerungen mit dem Buch und der Geschichte verbinden, ist es ein Film, den ich alle paar Jahre mit Genuss wiedersehen kann.

Dass „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“, ein, im allerbesten Sinne, „Unterhaltungsfilm“ auch einen Teil von Grönlands Kolonialgeschichte unter der Herrschaft gewissenloser dänischer und amerikanischer Interessen erzählt, ist eigentlich eher eine Fußnote. Dennoch hätten Frau und Herr Vance den Film vielleicht vor ihrem Besuch sehen sollen. Die Peinlichkeit (€) wäre zu vermeiden gewesen.

Uns bleibt das „ewige Eis“ der Insel ein Auftrag. Denn wenn wir nicht in der Lage sind, es zu schützen, wird uns das Wasser sprichwörtlich bis zum Hals (und darüber!) stehen.

Grønland tilhører grønlænderne! (Dänisch)

Dieser Beitrag erschien zuerst am 29.03.2025. Permalink: https://nexxtpress.de/b/bsG



Thriller, Deutschland, Dänemark, Grönland, 1997, FSK: ab 12, Regie: Bille August, Drehbuch: Ann Biderman, Produktion: Bernd Eichinger, Martin Moszkowicz, Musik: Harry Gregson-Williams, Hans Zimmer, Kamera: Jörgen Persson, Schnitt: Janus Billeskov Jansen, Mit: Julia Ormond, Gabriel Byrne, Vanessa Redgrave, Richard Harris, Jim Broadbent, Charlotte Bradley, Agga Olsen, Robert Loggia, Patrick Field, Matthew Marsh, Tom Wilkinson, Mario Adorf, Jürgen Vogel, Clipper Miano, Charles Lewsen, Emma Croft, Bob Peck, Ann Queensberry, Peter Gantzler, Lars Brygmann, Erik Holmey, Peter Capaldi, David Hayman, Alvin Ing, Lars Bjarke, Ono Fleischer, Ida Julie Andersen, Maliinannguaq Marcussen Mølgaard, Fediverse: @filmeundserien@a.gup.pe


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  1. @mediathekperlen @filmeundserien Und die buchvorlage ist wundervoll! 🤓

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  2. @mediathekperlen @filmeundserien

    ich habe das Buch mehrfach gelesen und auch den Film mehrfach gesehen, leider habe ich damals das Ende nicht verstanden. Gibt es dazu irgendwas heutzutage?

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  3. @mediathekperlen Im Wikipedia-Eintrag zum Buch steht, dass zur Zeit eine Neuverfilmung als Serie gedreht wird. Vielleicht ist die Wiederholung, die mich auch erstaunt hat, ja darin begründet? @filmeundserien

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    1. Mediathekperlen

      Ehrlich? Oh weh… Ich ahne etwas. Nichts Gutes, fürchte ich. Warum nur, fällt diesen Leuten nichts Neues mehr ein?

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    2. @mediathekperlen Als ich gelesen habe "….mit Elyas M'Barek…" schwant mir auch schon die Richtung, in die es geht.

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    3. @die_christine @mediathekperlen
      Ich kannte bisher nur den Film. Habe mir jetzt mal das Buch bestellt (soll laut Kritik in dem genannten Wikipedia Eintrag viel besser als der Film sein).
      Danke fürs Erinnern!

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    4. Mediathekperlen

      Ich bin echt kein Literaturkritiker. Aber wenn dir das Buch nicht gefällt, dann kaufe ich es dir ab! (Meine Ausgabe hat damals im Urlaub echt gelitten.) 😅

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    5. @mediathekperlen @die_christine
      Oh, das wird dann günstig. Habe es eben für 3.98 € bei Medimops..

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    6. @buchfee @die_christine @mediathekperlen Kann ich bestätigen, hab es auch verschlungen.

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    7. @buchfee @die_christine @mediathekperlen Das Buch ist richtig super. 👍

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