Roman Polański – „The Ghostwriter“ (2010)

Robert Harris hat nicht ganz die literarische Klasse von John le Carré, doch waren die beiden britischen Edelfedern wohl in derselben Liga unterwegs, wenn es um die verkaufte Auflage und, in diesem Fall von größerem Interesse, die Filmrechte zu ihren Büchern geht. Hier hat er, gemeinsam mit dem Regisseur, auch gleich das Drehbuch für den Film geschrieben.

 
 
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Ob das jetzt eine gute Idee war, müssen die beurteilen, die das Buch gelesen haben. Was der Regisseur daraus gemacht hat, bevor er von der Schweizer Justiz aufgrund eines 30 Jahre alten Haftbefehls wegen Vergewaltigung einer Minderjährigen in den USA unter Hausarrest gesetzt wurde, ist ein überaus konventioneller Thriller alter Schule. An die Klasse von „Frantic“ (1988) kommt er nicht heran. Von „Chinatown“ (1974) müssen wir nicht reden. Doch für den besonderen Cast und das zeitgenössische Polit-Setting ist er das Wiedersehen durchaus wert.

Wir kriegen die Filme ja nicht aus der Welt. Ebenso wenig, wie all die Künstler:innen, die daran beteiligt waren. Und wenn wir den Regisseur „canceln“ – was ich in diesem Fall moralisch entschieden befürworten würde – dann canceln wir eben auch all jene, die sich nichts zu Schulden kommen ließen, außer ihrer Kunst, ja ihrer Arbeit nachzugehen. So habe ich das schon gesehen, als Jack Nicholson für Polański noch „Jake Gittes“ war.

Einen Grund Polański für diesen Film besonders groß zu feiern, müssten wir wirklich suchen. Ist es doch, eigentlich wirklich keiner, der die Regeln der Kunst etwa neu definieren würde. Solides Handwerk eben. Die Ironie der Parallelen zwischen dem britischen Premier, der die USA nicht verlassen kann, und dem Regisseur, der in Europa festsitzt, weil er eben in den USA per Haftbefehl gesucht wird, die dürften Sie erkennen. Ich denke, Polański hat es durchaus offensiv darauf angelegt. Der Film funktioniert aber auch, wenn wir das einfach vergessen.

Die Idee – und da tritt der Autor in den Vordergrund – eine zeitgenössische Figur aus der internationalen Politik, hier in Person eines ehemaligen britischen Premierministers, mit einem namenlosen Ghostwriter in das Zentrum einer Intrigengeschichte zu stellen, war schon zum Erscheinungsdatum des Romans brillant. Und hat diesem Roman, dank der überwältigenden Ähnlichkeit des besagten PM mit dem gerade erst zurückgetretenen Tony Blair, die Aufmerksamkeit eines dankbaren Publikums garantiert.

Kaum sitzt der neue Ghostwriter dem Mann gegenüber, dessen Autobiografie er verfassen soll, gibt es Ärger. Seit Jahren ist der Politiker unter Beschuss, weil er den USA in den Irak-Krieg folgte. Nun ermittelt auch noch der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag gegen ihn, weil er als Premierminister britische Staatsbürger im Anti-Terror-Kampf verschleppen ließ, ein mutmaßliches Kriegsverbrechen – und ein ungewöhnlich aktueller, politisch brisanter Stoff für einen Thriller, gespickt mit bissigen Kommentaren über die USA.

„Der Geisterfilm“, von Martin Wolf, Spiegel-Online, 07.02.2010

Indessen haben wir in Deutschland noch, dem Presserecht sei Dank, eine vergleichsweise milde Boulevardkultur – wenn wir mal von der Zeitung absehen, die Max Goldt schon vor über 20 Jahren zurecht „ein Organ der Niedertracht“ genannt hat. Unsere Literat:innen allerdings sind den Brit:innen hoffnungslos unterlegen, wenn es um politische Belletristik geht. Oder kennen Sie einen guten Polit-Thriller über die Regierung von Gerhard Schröder oder Frau Merkel?

Das ist ein Punkt, den der Film macht… und seine großartige Besetzung. Der (noch) recht junge Ewan McGregor, der eben erst aus dem Dienst ihrer Majestät ausgeschiedene Pierce Brosnan, der spiegelkahle Glatzkopf von James Belushi neben dem ewigen Eli Wallach und der wunderbar wiedererkennbaren Mo Asumang (als US-Außenministerin!) – das hat genug Klasse für jeden roten Teppich.

Sicher kein Meisterwerk, wenn Sie mich fragen. Aber eben doch immerhin ein guter, langsamer, intelligenter Film, bei dem Sie nach zwei Stunden nicht dümmer wurden, als Sie vorher waren. Und das bedeutet uns ja auch etwas, in (Fernseh-)Zeiten wie diesen.

Was ich nicht wusste, war, dass die Einreiseverbote für Polański in die USA und Großbritannien dazu führten, dass Sylt und Usedom im Film das Double für die amerikanische Reicheninsel Martha’s Vineyard herhalten mussten und das, was wir im Film für London halten sollen, tatsächlich Berlin gewesen ist. Ebenso, aber weit weniger amüsant, doch durchaus bemerkenswert, dass sich sogar der „Bund der Steuerzahler“ – eine wirtschaftsliberale Lobbyorganisation von Leuten mit (zu-)viel Geld sich über den Film zu beschweren wusste, weil die deutsche Filmförderung noch immer auf die Rückzahlung von Fördermitteln für den kommerziell sehr erfolgreichen Film wartet. Sowas finden Sie bei der Recherche in der Wikipedia!

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PS.: Eine Schande, dass uns keine Originalversion angeboten wird. Bei all diesen hervorragenden Charakterdarsteller:innen ist das ein wirklich großer und sehr bedauernswerter Mangel.

Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht am 14.05.2025.



Thriller, Frankreich, Deutschland, UK, FSK: ab 12, Regie: Roman Polański, Drehbuch: Roman Polański, Robert Harris, Produktion: Roman Polański, Alain Sarde, Robert Benmussa, Musik: Alexandre Desplat, Kamera: Paweł Edelman, Schnitt: Hervé de Luze, Mit: Ewan McGregor, Pierce Brosnan, Olivia Williams, Kim Cattrall, Timothy Hutton, Tom Wilkinson, Jon Bernthal, James Belushi, Robert Pugh, Tim Preece, David Rintoul, Eli Wallach, Mo Asumang, Robert Seeliger,



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