Als die Nazis die Kultur holten – Comedian Harmonists (1997)

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Bei den Filmen von Joseph Vilsmaier war ich meistens ambivalent. Ich habe sie für ihre Perfektion bewundert, doch seine Figuren drangen einfach nicht durch. Hier war das anders. Denn Comedian Harmonists ist weit mehr, als eine Hymne an einen der erfolgreichsten Musik-Acts seiner Zeit, sondern auch eine Nacherzählung, wie es war, als die Nazis sich die Kultur und die Kunst geholt haben.

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Vielleicht ist dieser Film von 1997 doch der beste des 2020 verstorbenen Filmemachers. Denn er hat etwas, das ihn aus fast allen Filmen seines Werkes heraushebt („Marlene“, 2000, ist die andere Ausnahme), der Film hat einen unverwechselbaren Sound und ist voll mit Welthits der 20er und 30er Jahre. Und das mag ich.

Ich mag Geschichten über Bands und Gangs. Da bin ich Romantiker. Wenn Freundschaft und Kunst eine Verbindung miteinander eingehen und daraus etwas wächst – „das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile“ – dann gibt mir das etwas. Und im Wesentlichen ist dieser Film eine Geschichte über eine Band sechs junger Männer welche erfolgreich versucht haben amerikanische Musik nach Deutschland zu holen.

Was er daneben auch ist – und das konnte Vilsmaier immer besonders gut – ist eine Zusammenkunft einiger der zu seiner Zeit größten jungen Talente im deutschen Film. Daran hat er, als sein eigener Kameramann, nie gespart: Besetzung und Ausstattung. Was er sich ebenso immer genommen hat, war „künstlerische Freiheit“ auf die Authentizität biographischer oder historischer Details zu verzichten, zugunsten einer fiktionalisierten Erzählung wahrer Geschichten. Und deshalb ist es wichtig, auch diesen Film einzuordnen: Es ist „nur“ Unterhaltung, keine Filmbiographie.

Vilsmaier ist mit Comedian Harmonists ein weitgehend unterhaltsamer Film gelungen, der nicht vor scheinbarer Problembewältigung und angeblicher ‚Vergangenheitsbewältigung‘ trieft und doch die Tragödie einzelner Künstler vor dem Hintergrund der Tragödie eines ganzen Volkes ungeschönt und deutlich zum Ausdruck bringt – ein zumindest elementares Wissen über das Dritte Reich vorausgesetzt. Statt voreiliger Abwehr provoziert er damit beim Zuschauer (wieder) Fragen. Etwa, wie es denn möglich war, dass Mitläufer wie eingefleischte Nazis gleichermaßen von der Gruppe begeistert sein konnten und nicht einmal dann eingeschritten sind, als die Idole, denen sie aus ganzem Herzen zujubelten, Auftrittsverbot erhielten. Das war 1934, lange vor der Reichskristallnacht.

(Sonja Toepfer, Kinofenster.de, 01.12.1997)

Dieser Film passt heute vielleicht noch mehr in die Zeit, als 1997. Denn inzwischen hat sich, nicht nur, Deutschland grundlegend neu sortiert. Und auch in den Kämpfen um die Freiheit der Kunst und Kultur – denken wir nur an die Sprache – haben sich neue Fronten gebildet. Zentrale Angriffslinien des Faschismus haben sich immer zuerst dieser Definitionsmacht bedient. Und der totalitären Macht auch damit zu entscheiden, wer „dazu“ gehört und wer nicht.

Wenn sie die Kunst holen, ist es schon zu spät!


Comedian Harmonists – in der ARD Mediathek bis 19.02.2024

Spielfilm, Deutschland, Österreich, 1997
FSK: ab 6
Regie: Joseph Vilsmaier
Drehbuch: Jürgen Büscher, Klaus Richter, Jürgen Egger
Produktion: Danny Krausz, Kurt Stocker
Musik: Harald Kloser, Pasadena Roof Orchestra
Kamera: Joseph Vilsmaier
Schnitt: Peter R. Adam
Mit: Ulrich Noethen, Ben Becker, Heino Ferch, Heinrich Schafmeister, Max Tidof, Kai Wiesinger, Meret Becker, Katja Riemann, Susanne Hoss, Dana Vávrová, Otto Sander, Günter Lamprecht, Rolf Hoppe, Rudolf Wessely, Susi Nicoletti

 


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