Tilda Swinton – „A Bigger Splash“ (2015)

3.5
(2)
Eine Welt, in der alles sichtbar, aber nichts benennbar ist – Begehren, Schuld, Macht, Kontrolle. Ein Film über Körper – vor allem über den weiblichen – im Spannungsfeld männlicher Vorstellung, über das Frausein als Projektionsfläche, als Mythos, als Besitzanspruch. Und ein Film, der schmerzhaft sichtbar macht, wie tief verankert diese Strukturen selbst in liberalen, künstlerischen Milieus geblieben sind.



Hier wurde ein Video von Youtube, einer Plattform von Alphabet (Google) eingebunden. Der Inhalt wird nur geladen, wenn sie zuvor einer Übertragung ihrer persönlichen Daten (ua. ihrer IP-Adresse) an die Plattform zustimmen. Klicken Sie auf dieses Cover, um den Inhalt anzuzeigen.

Erfahren Sie mehr in der Datenschutzerklärung von YouTube.

Tilda Swinton als Marianne Lane, eine weltberühmte Rocksängerin, sozusagen Ziggy Stardusts jüngere Schwester, die nach einer Operation an den Stimmbändern zum Schweigen verurteilt ist. Das ist nicht bloß biografisches Detail, sondern ein kraftvolles Bild: Die Frau, einst für ihre Stimme verehrt, ist nun stumm – und wird dennoch weiter vereinnahmt, interpretiert, beansprucht.

Ihr Partner Paul, gespielt von Matthias Schoenaerts, bleibt der zurückhaltende, leidende Mann an ihrer Seite – eine Umkehrung vertrauter Rollen, die aber nicht als klare Gegenstrategie angelegt ist. Denn mit der Ankunft von Ralph Fiennes’ Figur Harry tritt noch ein weiterer Mann ins Bild, der allerdings alles dominiert, was sich nicht schnell genug entzieht.

Ich glaube, für Fiennes war es ein echtes Fest, ihn zu spielen. Sein Harry ist laut, charismatisch, selbstbezogen – er verkörpert jene Art männlicher Selbstverständlichkeit, die sich alles nimmt, weil sie nie gelernt hat, zu fragen. Die auch Marianne, seine frühere Geliebte, nie ganz losgelassen hat. Die glaubt, das, was einmal war, müsse ihm gehören. Auch diese Figur steht nicht für sich allein, sie steht für ein Muster: für den Anspruch auf Kontrolle über Frauenleben, -körper und -erinnerungen, der viel zu oft als Leidenschaft getarnt wird.

Aber auch Dakota Johnson als Penelope wird nicht einfach eingeführt. Ihr Auftritt wird inszeniert: jung, schön, lasziv, geheimnisvoll. Der Film stellt sie nie ganz als Person vor, sondern als Erscheinung – als Figur einer Frau, auf die Männer ihre Fantasien projizieren. Die Kamera streift über ihren Körper, selten über ihren Ausdruck. Und obwohl Luca Guadagnino diese Wahrnehmung reflektiert, bleibt sie ein Spielball männlicher Dynamiken. Penelope wirkt wie ein Echo des Male-Gaze aller jungen Frauenfiguren der Filmgeschichte: durchsexualisiert, nie ganz greifbar, immer ein wenig fern, fast geisterhaft. Undurchschaubarkeit schützt sie nicht, sondern macht sie angreifbar.

Was der Film außerdem nicht zeigt, ist ebenso bezeichnend wie das, was er zeigt: Die Nebendarsteller:innen – oft schwarz, oft stumm, oft im Hintergrund – werfen Fragen auf, die der Film aber nicht weiter verfolgt. Sie wirken wie die Erinnerung daran, dass weiße Privilegien nicht am Pool enden. Während die Hauptfiguren nackt baden, streiten, lieben und begehren, bleibt ihnen das Zusehen. Das dürfen Sie gerne in ihrem anstehenden Sommerurlaub mal selbst reflektieren.

Es ist eine mehr als deutliche Hierarchie: Wer darf sich entspannen? Wer darf sich verlieren? Wer wird sichtbar, wer ausgeblendet? Die Leichtigkeit, die der Film auf der Oberfläche zelebriert, basiert auf Ausschlussmechanismen, die zu benennen wären – gerade in einem Film, der so sehr von Freiheit spricht.

Und doch: Marianne Lane bleibt das emotionale Zentrum dieses Films. Nicht, weil sie sich in klassischen Mustern behauptet, sondern weil sie sich ihnen entzieht. Weil sie nicht still ist, obwohl sie schweigt. Weil sie sich nicht fassen lässt, obwohl alle versuchen, sie zu deuten. Ihr Verstummen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern eine stille Form von Selbstschutz. Sie spricht nicht – aber sie handelt, sie spürt, sie weicht aus. Ihre Art, präsent zu sein, ohne sich vereinnahmen zu lassen, ist eine Erinnerung, dass sich Stärke nicht immer laut äußern muss.

„A Bigger Splash“ (2015) ist keine Heldinnengeschichte. Aber der Film macht erfahrbar, wie subtil Kontrolle funktioniert. Wie Begehren kippt, wie Besitzansprüche sich tarnen, wie Rollen sich einschleifen. Und wie schwer es ist, sich diesen Erwartungen zu entziehen, ohne daran kaputtzugehen.

Ein ziemlich unbequemes Sommerpsychodrama, nach einem Klassiker als Motiv und seinem Remake, noch einmal neu inszeniert. Nicht unbedingt besser als die Vorgänger, aber anders.

Fast feministisch.

Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht am 30.06.2025.


Verwandte Beiträge (einblenden) >>

Inhaltswarnung: Der Film enthält Nacktheit und Darstellungen psychischer und sexueller Manipulation, übergriffiges Verhalten, strukturelle Gewalt und rassifizierte Nebenfiguren. Einige Gewaltmomente sind stilisiert inszeniert.



Drama, Thriller, Italien, Frankreich, 2015, FSK: ab 16, Regie: Luca Guadagnino, Drehbuch: David Kajganich, Produktion: Michael Costigan, Luca Guadagnino, Marco Morabito, Andrew Mason, Musik: Atticus Ross, Claudia Sarne, Leopold Ross, Kamera: Yorick Le Saux, Schnitt: Walter Fasano, Mit: Tilda Swinton, Ralph Fiennes, Dakota Johnson, Matthias Schoenaerts, Corrado Guzzanti, Aurore Clément, Lily McMenamy, Nabil Kechouchen, Fediverse: @filmeundserien@a.gup.pe, @3sat



Reaktionen:

Wie bewerten Sie diesen Film / diese Serie?

Dieser Film / diese Serie wurde 2x im Durchschnitt mit 3.5 bewertet.

Bisher keine Bewertungen.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Sie können diesen Beitrag auch über das Fediverse (zum Beispiel mit einem Konto auf einem Mastodon-Server) kommentieren.